Auswirkungen des Brexit auf das Gesundheitswesen

Nach intensiven Verhandlungen haben die Europäische Union (EU) und das Vereinigte Königreich mit der am 24. Dezember 2020 erzielten Einigung ein neues Kapitel in ihren Beziehungen aufgeschlagen.

Das zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ausgehandelte Handels- und Kooperationsabkommen (Partnerschaftsabkommen) trat am 1. Januar 2021 vorläufig in Kraft, nachdem alle 27 Mitgliedstaaten dem Abkommen und seiner vorläufigen Anwendung ihre Zustimmung erteilt hatten. Am 27. April 2021 gab auch das Europäische Parlament seine Zustimmung, so dass das Abkommen am 1. Mai 2021 endgültig in Kraft treten konnte. Weitere aktuelle Informationen zur Einigung finden Sie beim Auswärtigen Amt.

1) Welche Folgen hat das Partnerschaftsabkommen ab 1. Januar 2021 für den Gesundheitsbereich? Ein Überblick.

a) Rechte der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich Kranken- und Pflegeversicherung

Hinweis

Auf der Internetseite der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) finden Sie Hinweise zum Brexit für alle Betroffenen (z. B. für Touristen, Rentnerinnen und Rentner, Studierende, entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer). Da die Fallgestaltungen und Fragen vielfältig sind, empfehlen wir Bürgerinnen und Bürgern, sich direkt an ihre jeweilige Krankenkasse oder ihr jeweiliges Krankenversicherungsunternehmen in Deutschland zu wenden.

Erfreulicherweise übernimmt das Partnerschaftsabkommen in einem eigenen Protokoll zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit im Wesentlichen die bisher innerhalb der EU und auch aufgrund der Übergangsfrist des Austrittsabkommens geltenden Bestimmungen der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009. Danach können die Sozialversicherungsträger weiterhin das Unionsrecht anwenden, als wäre das Vereinigte Königreich noch ein Mitgliedstaat. Hingegen nicht mehr fortgeführt werden kann nach dem Partnerschaftsabkommen der Export von Pflegeleistungen für Neufälle, d.h. für Sachverhalte, die ab dem 1. Januar 2021 beginnen und vorher keinerlei grenzüberschreitenden Bezug zwischen einem EU-Mitgliedstaat und dem Vereinigten Königreich hatten.  Solche Sachverhalte unterfallen dem neuen Partnerschaftsabkommen, das die Koordinierung von Leistungen der Pflegeversicherung ausschließt. Die Europäischen Krankenversicherungskarten (EHIC) sowie Provisorischen Ersatzbescheinigungen (PEB) können aber weiterhin genutzt werden. Auch eine Anrechnung von Versicherungszeiten ist weiterhin möglich. Um einen vollen Zugang zum Gesundheitssystem des Vereinigten Königreiches zu erhalten, sind jedoch ab dem 1. Januar 2021 in einigen Fällen Gesundheitsbeiträge zu entrichten. Personen, die ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich haben, aber in einem anderen Staat versichert sind sowie Studierende können sich die Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise vom Vereinigten Königreich erstatten lassen. Unter „Fragen und Antworten“ finden Sie häufige Fragen und Hinweise rund um Krankenversicherung und Pflege.

b) Anerkennung von Berufsqualifikationen für Gesundheitsberufe

Das Partnerschaftsabkommen sieht Regelungen für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen vor, die für Anträge auf Anerkennung ab dem 1. Januar 2021 gelten. Diese sehen insbesondere vor, dass Berufsorganisationen beider Vertragspartner erleichterte Anerkennungsregelungen für spezifische Berufe vorschlagen können, wenn dies im beiderseitigen wirtschaftlichen Interesse ist. Die automatische Anerkennung entsprechend der bisher geltenden EU-Berufsanerkennungsrichtlinie wird aber nicht mehr gelten. Solange es keine erleichterten Anerkennungsregelungen auf Grundlage des Abkommens gibt müssen EU-Bürger mit in Großbritannien erworbenen Qualifikationen diese ab Januar 2021 auf der Grundlage der in Deutschland geltenden Vorschriften für in Drittstaaten erworbene Qualifikationen anerkennen lassen. Gleiches gilt für britische Staatsangehörige, die ihre Qualifikation nicht in einem EU-Mitgliedstaat erworben haben.

Weitergehende Informationen zum Anerkennungsverfahren finden Sie auf dem Informationsportal der Bundesregierung für berufliche Anerkennung.

c) Warenverkehr mit Arzneimitteln und Medizinprodukten

Grundsätzlich scheidet das Vereinigte Königreich am 1. Januar 2021 aus dem Regulierungssystem der EU für Arzneimittel und Medizinprodukte aus. Das Partnerschaftsabkommen begründet jedoch unter anderem eine umfassende Wirtschaftspartnerschaft. Diese beruht im Kern auf einem Freihandelsabkommen, das weder Zölle noch Quoten vorsieht und damit bedeutende Handelshemmnisse abwendet. Das Partnerschaftsabkommen leistet damit auch einen bedeutenden Beitrag zur Sicherstellung der ununterbrochenen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, Impfstoffen und Medizinprodukten, die für die Bundesregierung höchste Priorität hat. Das Partnerschaftsabkommen sieht Regelungen zur Vermeidung technischer Handelshemmnisse in Bezug auf Standardisierungs- und Konformitätsbewertungsverfahren inklusive Medizinprodukte vor. Sehr zu begrüßen ist zudem, dass in einem eigenen Annex Anerkennungsmöglichkeiten von Inspektionsergebnissen zur Bescheidung der Übereinstimmung mit der Guten Herstellungspraxis (GMP-Zertifikate) bei Arzneimitteln und Wirkstoffen vorgesehen sind. Die Bundesoberbehörden weisen auf ihren Internetseiten (BfArM und PEI )auf die Auswirkungen des Brexit hin und stellen Informationen für pharmazeutische Unternehmen zur Verfügung. Darüber hinaus stellt die EMA Informationen auf Ihrer Webseite für Unternehmen zur Verfügung

d) Gesundheitssicherheit

Ab 1. Januar 2021 erfolgt die Zusammenarbeit der EU mit dem Vereinigten Königreich im Bereich Gesundheitssicherheit wie mit einem Drittstaat, d.h. nur anlassbedingt und befristet während akuter Bedrohungslagen – ohne Dauermitgliedschaft in den europäischen Strukturen wie bei den EU-Mitgliedstaaten oder bei Staaten mit ständigem Beobachterstatus wie z.B. Norwegen oder Liechtenstein. In akuten Bedrohungslagen wie in der aktuellen Pandemie wird die Zusammenarbeit im Krisenmanagement mit dem Vereinigten Königreich weiterhin im Health Security Committee (HSC) und über das beim European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) angesiedelte Early Warning and Response System (EWRS) fortgeführt.

Im Bereich der Bereitschaftsplanung und Krisenvorsorge könnte die Zusammenarbeit perspektivisch durch eine Absichtserklärung, ein Memorandum of Understanding (MoU) mit ECDC ermöglicht werden, wie bei anderen Drittstaaten auch. 

2) Was galt in der Übergangsphase bis 31. Dezember 2020?

Bis Ende 2020 lief die Übergangsphase, in der das EU-Recht im Bereich Sozialrechtskoordinierung und Berufsanerkennung in und für Großbritannien grundsätzlich weiterhin galt. Großbritannien blieb in dieser Zeit weiterhin Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion, so dass sich bis Ende 2020 auch keine Änderungen für den Warenverkehr mit Arzneimitteln und Medizinprodukten ergaben.

a) Kranken- und Pflegeversicherung

Bei der Absicherung im Krankheitsfall, der Inanspruchnahme und Abrechnung von Kranken- und Pflegeversicherungsleistungen im jeweils anderen Land sowie bei der Anrechnung von Versichertenzeiten blieb bis Ende 2020 alles wie bisher.

Die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) oder Provisorische Ersatzbescheinigung (PEB) waren zum Beispiel in diesem Zeitraum weiterhin gültig. Zudem ist im Austrittsabkommen geregelt, dass Personen, die bereits vor Ablauf der Übergangszeit mit einer geplanten medizinischen Versorgung in Großbritannien oder in Deutschland begonnen oder diese bereits beantragt haben, weiterhin das Recht haben, diese Behandlung in Anspruch zu nehmen.

Die bis zum Ende der Übergangsphase mit deutschen Krankenversicherungsunternehmen geschlossenen Verträge der Privaten Krankenversicherung (substitutive Kranken- und Pflegepflichtversicherung sowie zulagengeförderte Pflegezusatzversicherung) können aus deutscher Sicht fortgesetzt werden, sofern die betreffende Person am 31. Dezember 2020 in Großbritannien ansässig war. Voraussetzung für die Fortführung einer Pflegezusatzversicherung mit staatlicher Förderung ist jedoch die Zulageberechtigung, d.h. die zu versichernde Person muss grundsätzlich Mitglied in der sozialen oder privaten Pflege(pflicht)versicherung sein. Zu einem Verlust der Mitgliedschaft könnte es aber kommen, wenn die Versicherungspflicht nach dem 31. Dezember 2020 zum Beispiel wegen eines Auslandsaufenthalts ohne Weiterversicherung bzw. Abschluss einer „besonderen Vereinbarung“ endet oder der Versicherungsnehmer seinen Vertrag zur privaten Pflegepflichtversicherung kündigt, weil er etwa in das Absicherungssystem von Großbritannien oder einem dortigen privaten Versicherungsunternehmen wechseln möchte. Allenfalls besteht dann die Möglichkeit des Abschlusses einer Anwartschaftsversicherung, wenn noch keine Pflegebedürftigkeit bzw. ein Leistungsfall eingetreten ist. Da die Fallgestaltungen, insbesondere auch in der Pflegeversicherung, vielgestaltig sind, ist es empfehlenswert, dass sich Versicherte zur weiteren Beratung an ihr Versicherungsunternehmen wenden. 

b) Anerkennung von Berufsqualifikationen

Auch für die Anerkennung von Berufsqualifikationen für Gesundheitsberufe gab es bis Ende 2020 keine Änderungen. Bis dahin wurden von EU-Bürgern oder britischen Staatsangehörigen gestellte Anträge auf Anerkennung von Berufsqualifikationen durch eine zuständige Behörde des Aufnahmestaats oder des Arbeitsstaats noch nach EU-Regeln entschieden. Betroffene Bürgerinnen und Bürger wurden daher gebeten, ihren Antrag zur Berufsanerkennung frühestmöglich und rechtzeitig vor Ende der Übergangsphase zu stellen. Bereits vor Ende der Übergangsphase erfolgte Berufsanerkennungen behalten im jeweils anderen Land ihre Wirkungen, einschließlich des Rechts, den Beruf unter denselben Voraussetzungen auszuüben wie Inländer.

c) Arzneimittel und Medizinprodukte

Waren und damit auch Arzneimittel und Medizinprodukte, die vor Ende der Übergangszeit rechtmäßig in Verkehr gebracht worden sind, dürfen auch noch nach der Übergangszeit auf den Märkten der EU und Großbritanniens weiter gehandelt werden, bis sie ihre Endverbraucher erreicht haben - und zwar ohne dass Produktänderungen oder eine erneute Kennzeichnung erforderlich sind.

Je nach Risikoklasse eines Medizinprodukts oder In-vitro-Diagnostika müssen Hersteller bei der Konformitätsbewertung ihrer Produkte eine Benannte Stelle einschalten. In der Übergangszeit durften britische Benannte Stellen grundsätzlich weiterhin Zertifikate für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika ausstellen.

3) Fragen und Antworten rund um Gesundheit und Pflege

Fragen zu Regelungen im Partnerschaftsabkommen

Fragen mit Bezug zum Austrittsabkommen / Altfälle

Stand: 29. März 2021
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