Risiko-adaptierte Krebsfrüherkennung

Eine risiko-adaptierte Früherkennung zielt darauf ab, Personen mit einem deutlich erhöhten Risiko anhand bestimmter Risikoindikatoren zu identifizieren und durch gezielte Krebsfrüherkennung, Diagnostik und Therapie die Krankheitslast (einschließlich Krankheitsdauer, Häufigkeit von Spätstadien) und Sterblichkeit zu verringern. Ein erhöhtes Risiko ist vor allem bedingt durch eine ererbte Belastung oder das Vorliegen bestimmter Verhaltens- und/oder Umweltfaktoren. Neuere wissenschaftliche Entwicklungen ermöglichen zudem die Identifikation von Risiko-Genen für einige Tumorarten. Die Möglichkeit einer individuellen Risikokalkulation kann eine Vielzahl neuer Aspekte für die Krebsfrüherkennung eröffnen, die neben einer Chance der gezielten Vorbeugung in Hochrisikogruppen allerdings auch die Gefahr einer gesellschaftlichen Benachteiligung von Personen mit einem erhöhten Risiko beinhalten kann. Andererseits bietet die Fokussierung auf Risikogruppen die Chance, die Effizienz und das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Krebsfrüherkennung zu verbessern. Die Identifizierung von Risikopersonen würde im Rahmen eines der Krebsfrüherkennung vorgeschalteten Filterungsprozesses – beispielsweise durch den Einsatz von Fragebögen und/oder spezifischen Untersuchungen – erfolgen. Eine Herausforderung bei der Identifizierung von Risikopersonen ist die Definition geeigneter und verlässlicher Risikoindikatoren.

Maßnahmen-Papier zur KFE

Zum Thema der risiko-adaptierten Krebsfrüherkennung (KFE) hatten Expertinnen und Experten im Nationalen Krebsplan ein Papier erarbeitet, welches einen konzeptionellen und methodischen Rahmen für die Entwicklung und Validierung bevölkerungsbezogener Maßnahmen der risiko-adaptierten KFE bietet. Dabei soll ein Problembewusstsein für die bestehenden Limitationen sowie die fachlichen Anforderungen an die risiko-adaptierte KFE geschaffen und eine vorschnelle und unkritische Ausweitung von wissenschaftlich nicht hinreichend abgesicherten Maßnahmen der risiko-adaptierten KFE vermieden werden.

Das Papier richtet sich an die medizinisch-wissenschaftliche Fachwelt, insbesondere an Autoren und Herausgeber von Leitlinien (AWMF), wissenschaftliche Meinungsbildner, Institutionen und Gremien der Selbstverwaltung, die für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung sowie für die fachliche Bewertung und inhaltliche Ausgestaltung der Krebsfrüherkennung zuständig sind (zum Beispiel Gemeinsamer Bundesausschuss) sowie an Entwickler von genetischen Tests oder anderen Instrumenten, die für eine risiko-adaptierte KFE genutzt werden können (zum Beispiel aus Industrie und Wissenschaft). Um die oben genannten Zielgruppen zu erreichen, wurde empfohlen, das Papier in einer angemessenen Weise zu publizieren, zum Beispiel im Deutschen Ärzteblatt (siehe auch den daraufhin veröffentlichten Artikel: "Präventive Gendiagnostik - Hoffnung und Fluch der Genanalyse", Heft 26 des Deutschen Ärzteblattes vom 29.06.2012; Dtsch. Ärztebl. 2012; 109(26): A-1371 / B-1183 / C-1163), aber auch international.

Intensivierung der Forschungsaktivitäten

Die Arbeitsgruppe empfahl 2011 eine Intensivierung der Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der risiko-adaptierten Krebsfrüherkennung (KFE). Angesichts des enormen Aufwands zur Entwicklung und evidenzbasierten Validierung risiko-adaptierter KFE-Maßnahmen sollten die verfügbaren Forschungs- und Entwicklungsressourcen gebündelt werden, zum Beipsiel im Rahmen gemeinsamer europäischer Projekte. Dies schließt auch eine gemeinsame Entwicklung europäischer beziehungsweise internationaler Empfehlungen für die Entwicklung und Validierung von risiko-adaptierten KFE-Maßnahmen ein.

Zudem sollte die Diskussion über die mit der risiko-adaptierten Früherkennung verbundenen gesellschaftspolitischen und ethischen Aspekte vorangebracht werden. Dazu gehören beispielsweise die Fragen, wer auf welcher Grundlage einen Grenzwert definiert, wie mit einem moderaten Risiko und einer Risikoerhöhung durch den persönlichen Lebensstil umgegangen wird, welche gesundheitlichen Folgen mit einer Zuordnung zu einer Risikogruppe verbunden sind und welche ökonomischen Auswirkungen damit einhergehen. Dies bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion und multidisziplinären Herangehensweise. Einige der vorgenannten Fragestellungen wurden in Forschungsprojekten des Förderschwerpunktes des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) "Forschung im Nationalen Krebsplan" untersucht. Die im Mai 2016 bei der Abschlussveranstaltung des BMG-Förderschwerpunktes vorgestellten Projektergebnisse wurden in den Diskussionen der Gremien des Nationalen Krebsplans berücksichtigt. Die Projektergebnisse des oben genannten Förderschwerpunktes aus dem Themenfeld "Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung", unter anderem zur risiko-adaptierten KFE, waren auch Gegenstand intensiver Erörterungen im Rahmen eines Fachgesprächs, das das BMG am 24. Oktober 2017 mit relevanten Akteuren des Nationalen Krebsplans, unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern des Gemeinsamen Bundesausschusses und seiner Trägerorganisationen, führte. Außerdem wurde das Expertenpapier zur risiko-adaptierten Krebsfrüherkennung aus dem Nationalen Krebsplan in die inzwischen beendete "European Partnership for Action Against Cancer" (EPAAC) eingebracht. Das Thema wurde danach in einer Expertengruppe in Zusammenarbeit mit der Nachfolge-Joint Action "CANCON" behandelt. In der darauffolgenden Joint Action zu Krebs ("Innovative Partnership for Action Against Cancer"; 2018 - 2021) befasste sich ein deutsches Konsortium unter der Leitung des BMG im Rahmen eines Projektes mit unterschiedlichen Fragestellungen zur risiko-adaptierten Krebsfrüherkennung.

Zudem wurde im Rahmen eines vom BMG geförderten Projekts (2015 - 2019) ein europäisches Positionspapier mit konkreten Empfehlungen einer internationalen Expertengruppe zu einem evidenzbasierten Umgang mit der risiko-adaptierten Krebsfrüherkennung bei erblicher Belastung für Brustkrebs erarbeitet, deren Umsetzung im Kontext der jeweiligen nationalen Gegebenheiten erfolgen sollte ("Risk-Adjusted Cancer Screening and Prevention (RiskAP): Complementing Screening für Early Disease Detection by a Learning Screening based on Risk Factors"). Die in diesem Projekt erarbeiteten Empfehlungen sind im Grundsatz auf andere Tumorentitäten übertragbar und leisten einen Beitrag zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema. Am 6. November 2019 stellten die Autoren auf einer Fachtagung in Berlin ihre Ergebnisse und Empfehlungen der Fachöffentlichkeit vor. Auf der Internetseite des BMG stehen das Positionspapier (PDF, barrierefrei, 359 KB) sowie der Abschlussbericht des Projekts zur Verfügung.

Ferner hat sich eine Arbeitsgruppe (AG Prävention) in der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit zahlreichen Partnern, unter anderem dem BMG, im Jahr 2019 gestarteten Forschungsinitiative "Nationale Dekade gegen Krebs" mit der Thematik der risiko-adaptierten Krebsfrüherkennung befasst. Hierzu haben das BMBF und die Deutsche Krebshilfe, ebenfalls Partner der Dekade, Mitte Februar 2023 zwei Förderprogramme veröffentlicht (nähere Informationen unter: Gesundheisforschung BMBF und Deutsche Krebshilfe).

Das BMG wird verstärkt, insbesondere vor dem Hintergrund des von der Europäischen Kommission am 3. Februar 2021 veröffentlichten Europäischen Krebsplans ("Europe’s Beating Cancer Plan"), die risiko-adaptierte KFE in das EU-Gesundheitsprogramm "EU4Health" 2021 - 2027 sowie in die "Cancer Mission" des aktuellen EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation "Horizon Europe" 2021 - 2027, als ein prioritäres Thema in die Diskussionen auf EU-Ebene einbringen. Die Thematik wird bereits in den jeweiligen aktuellen EU-Arbeitsprogrammen berücksichtigt.

Stand: 4. Oktober 2023
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