"Dankbarkeit und Wertschätzung, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte"
Linda Kleine-Bußmann (31), Prosper-Hospital Recklinghausen
Nach dem Abitur wusste ich - wahrscheinlich wie viele Schulabgänger - nicht richtig, was ich nun mit meinem Leben anfangen sollte. Ich habe mich schon gegen Ende der Schulzeit immer gefragt, wie man es schafft, „seinen Platz“ in der Gesellschaft zu finden. Es gibt schließlich unzählige Möglichkeiten, und die Auswahl scheint riesengroß. Eigentlich wollte ich studieren, aber was genau, das wusste ich nicht. Meine Interessen waren vielfältig, doch wenige waren wirklich in einen tatsächlichen Beruf zu integrieren. Einfach irgendetwas studieren, ohne am Ende zu wissen, wo es mich hinführen würde – das wollte ich nun auch nicht.
"Erst einmal eine Ausbildung, wäre das nicht etwas? Einen Beruf praxisnah erleben und erlernen und im Anschluss gibt es mit Sicherheit Möglichkeiten, noch weiter darauf aufzubauen. Wenn es denn dann dein Ding ist." Der damalige Tipp meiner Eltern erscheint mir heute Gold wert.
Wenn man als 19-jährige den Ausbildungsmarkt sondiert, schaut man unter anderem auf den Verdienst. Schon vor einigen Jahren stach die Pflegeausbildung mit einem hohen Einstiegsgehalt im ersten Ausbildungsjahr heraus. Doch ich war skeptisch. Pflege? Ich? Ich wollte wirklich gerne etwas mit Menschen machen und wusste, dass ich eine soziale Ader hatte. Doch vorstellen konnte ich es mir trotzdem nicht. Darum entschied ich mich für ein zweiwöchiges Praktikum, bevor ich diese große Entscheidung für mich treffen wollte.
Während dieser zwei Wochen bekommt man natürlich nur kleine Einblicke. Und als Praktikantin sowieso nur oberflächlich. Doch selbst in dieser kurzen Zeit habe ich eine Dankbarkeit und Wertschätzung meiner Arbeit gespürt, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Ich bin schon nach einer Woche nach Hause gekommen und habe gesagt: ja, genau das möchte ich machen!
Die Schlüsselszene, die mir auch jetzt – Jahre später – noch im Kopf ist, war ein kleiner rüstiger Opa, dem ich geholfen habe, Socken und Schuhe anzuziehen. Er saß auf der Bettkante und war selbst nicht mehr in der Lage, sich so tief zu bücken. Ich unterhielt mich währenddessen mit ihm über seine kürzlich verstorbene Frau. Danach bedankte er sich für die Hilfe, drückte meine Hand und sagte mit einer Träne im Augenwinkel: „Sonst hat meine Hilde mir immer noch geholfen, aber wenn jemand so Liebes wie Sie das jetzt übernimmt, dann kann ich mich gar nicht groß beschweren.“
Ich habe diese Entscheidung bis heute nicht bereut.