Europäische Gesundheitspolitik

Fortschritt durch Vielfalt

Europa hat den berechtigten Anspruch, eine Vorreiterrolle beim Gesundheitsschutz und für Innovation, Qualität und Sicherheit in der Gesundheitsversorgung einzunehmen.

Die Europäische Union (EU) hat sich dazu verpflichtet ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen (vgl. Artikel 168 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU, AEUV). Das bedeutet, dass sie durchgängig in allen Politikbereichen Aspekte des Gesundheitsschutzes einbeziehen muss. Aktivitäten der EU sind darauf ausgerichtet, Synergien zu nutzen, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern sowie Krankheiten und Gesundheitsgefährdungen vorzubeugen und zu bekämpfen. Die Europäische Gesundheitspolitik beruht dabei auf der engen Zusammenarbeit eigenständiger Gesundheitssysteme in den EU-Mitgliedstaaten. Dabei soll die Vielfalt der historisch gewachsenen nationalen Gesundheitssysteme gewahrt und die Kompetenz, sie eigenverantwortlich zu gestalten, nicht eingeschränkt werden.

Wichtigstes finanzielles Instrument der EU zur Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen in der EU ist das Aktionsprogramm EU4Health.​​​​

Verantwortung der Mitgliedstaaten – ergänzende Kompetenzen der EU

Grundlage der europäischen Gesundheitspolitik ist gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV die alleinige Verantwortung der Mitgliedstaaten für

  • die Festlegung der Gesundheitspolitik,
  • die Verwaltung des Gesundheitswesens sowie
  • die medizinische Versorgung, einschließlich der Finanzierung der Leistungen und der Leistungsumfang.

Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel.

In der Mehrzahl der Fälle beschränkt sich die EU darauf, die Politik der Mitgliedstaaten zu ergänzen, ihre Zusammenarbeit zu fördern und ihre Tätigkeit – falls erforderlich – zu unterstützen. Dies ist z. B. der Fall beim Austausch bewährter Praktiken im Bereich nicht übertragbarer Krankheiten1 und bei der Bündelung von hochspezialisierten medizinischen Ressourcen in Europäischen Referenznetzwerken, insbesondere im Bereich der seltenen Erkrankungen.

Europäische gesetzgeberische Maßnahmen zum Gesundheitsschutz sollen nur dort zum Einsatz kommen, wo ihre Ziele allein durch nationale Regelungen nicht erreicht werden können (Grundsatz der Subsidiarität). Außerdem muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Eine Harmonisierung ist ausgeschlossen. Beispiele sind:

  • Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren,
  • Maßnahmen, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung vor Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch zum Ziel haben.

1 Vgl. Best Practice Portal der EU: https://webgate.ec.europa.eu/dyna/bp-portal/

EU-Gesetzgebung: Gesundheitsschutz und Binnenmarkt

Allerdings kann die EU im Rahmen des vorgesehenen EU-Gesetzgebungsverfahrens, unter Beteiligung der Mitgliedsstaaten, auch aus eigener Zuständigkeit heraus, erforderliche Regelungen treffen, wenn folgende Bereiche betroffen sind (vgl. Artikel 168 Absatz 4 AEUV):

  • Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für
    • Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie
    • Arzneimittel und Medizinprodukte.
  • Maßnahmen in den Bereichen Veterinärwesen und Pflanzenschutz, die unmittelbar den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zum Ziel haben.

Die EU hat mehrfach Rechtsakte mit Bezügen zum Binnenmarkt und Gesundheitsschutz erlassen und dabei eine Kombination von Rechtsgrundlagen (u. a. Art. 114 und Art. 168 AEUV) genutzt. Zu nennen sind als Beispiele die EU-Verordnung zur Bewertung von Gesundheitstechnologien und die EU-Patientenmobilitätsrichtlinie. In Bereichen, die das reibungslose Funktionieren des europäischen Binnenmarktes betreffen, kann die EU mit ihrer Gesetzgebung die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ebenfalls aneinander angleichen.

EU Gesetzgebung: COVID-19 Pandemie

Zudem hat die EU noch während der COVID-19 Pandemie EU-Rechtsakte erlassen, um Vorsorge zu treffen und um zukünftig schnell und angemessen auf Gesundheitsbedrohungen reagieren zu können. Damit wird ebenfalls die Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzes bezweckt.

Um bei gesundheitlichen Notlagen schneller reagieren zu können, wurde im September 2021 von der Europäischen Kommission die EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen, kurz HERA (Health Emergency Preparedness and Response Authority) ins Leben gerufen. HERA soll bei Eintreten einer Notlage die Entwicklung, Herstellung und Verteilung von Arzneimitteln, Impfstoffen und anderen medizinischen Maßnahmen – wie Handschuhen und Masken – sicherstellen.

Die EU-Verordnung über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene2 hält u. a. Überwachungsmechanismen vor und ermöglicht die Beschaffung und den Ankauf medizinischer Gegenmaßnahmen (wie z.B. persönliche Schutzbekleidung, medizinische Masken etc.) und krisenrelevanter Rohstoffe. Ebenso sind Maßnahmen zur Produktion, zur Verfügbarmachung und zur Lieferung medizinischer Gegenmaßnahmen erfasst.

Zudem hat die EU die EU-Verordnung über schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren3 erlassen, mit der die Krisenvorsorge der EU weiter gestärkt werden soll. Hierfür sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, wie die Aufstellung eines EU-Plans zur Bewältigung von Gesundheitskrisen und Pandemien, als Ergänzung zu entsprechenden nationalen Plänen der Mitgliedstaaten.

Ein weiteres entscheidendes Instrument im Kampf gegen die Pandemie war das digitale COVID-Zertifikat der EU– mehr als 2,3 Milliarden Zertifikate wurden ausgestellt. Das Zertifikat, das Corona-Impfungen und -Tests sowie die Genesung von COVID-19 umfasste, erleichterte Bürgerinnen und Bürgern sicheres Reisen, als die EU-Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Gesundheit COVID-19 bezogene Reisebeschränkungen einführten. Auch weltweit war das digitale COVID-Zertifikat der EU ein Erfolg: Es wurde von 49 Drittstaaten genutzt, so dass es mit 76 Staaten das größte interoperable COVID-19 Zertifikate-System der Welt darstellte. Es ist vorgesehen, das digitale COVID-Zertifikat auf globaler Ebene weiterzuführen4.

2 Verordnung (EU) 2022/2372 des Rates vom 24. Oktober 2022 über einen Rahmen zur Gewährleistung der Bereitstellung von krisenrelevanten medizinischen Gegenmaßnahmen im Falle einer gesundheitlichen Notlage auf Unionsebene.
3 Verordnung (EU) 2022/2371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. November 2022 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1082/2013/EU
4 Vgl. https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/coronavirus-response/safe-covid-19-vaccines-europeans/eu-digital-covid-certificate_de

Digitale Gesundheitsversorgung

Europäischer Gesundheitsdatenraum – European Health Data Space (EHDS)

Im Mai 2022 wurde der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Data Space, EHDS) veröffentlicht. Der EHDS wird der erste sektorspezifische europäische Datenraum sein und soll einen Beitrag zur Schaffung einer Europäischen Gesundheitsunion leisten. Ziel ist der Aufbau eines gemeinsamen Rechtsrahmens sowie von Infrastrukturen zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten in der EU, um den Austausch und die Nutzung von Daten sowohl in der Versorgung (Primärnutzung) als auch für die Sekundärnutzung (insbesondere für die Forschung), zu erleichtern. Nationale Infrastrukturen sollen europaweit vernetzt und dadurch der grenzüberscheitende Zugang zu Gesundheitsdaten für Forschung und Versorgung ermöglicht werden. Daten des Gesundheitswesens sollen so einerseits leichter auffindbar werden und andererseits über ein möglichst einheitliches Verfahren europaweit auf Antrag zugänglich werden, ohne dass die Daten selbst den Standort verlassen müssen. Der Zugang soll über sichere virtuelle Verarbeitungsumgebungen erfolgen. Eine zentrale Vorgabe des EHDS ist der Aufbau einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle als Kontenpunkt zwischen den Mitgliedstaaten.

Der Zugang zu der breiten europäischen Datenbasis für die Gesundheitsversorgung und Forschung hat das Potenzial, sowohl die Entdeckung neuer Therapien und Behandlungen als auch die Entwicklung personalisierter Medikamente erheblich zu beschleunigen. Gleichzeitig stellt der EHDS einen notwendigen Forschungs- und Innovationstreiber zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Forschung und –Entwicklung im internationalen Vergleich dar. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite der EU-Kommission.

Damit die Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowie der maßgeblich betroffenen Verbände und Interessenvertretungen in den Ratsverhandlungen gebührend berücksichtigt werden können und die Verhandlungen transparent verlaufen, hat das BMG in den Jahren 2022 und 2023 diverse Stakeholder-Termine durchgeführt, die auf großes Interesse gestoßen sind und die Bedeutung des EHDS für unser Gesundheitswesen verdeutlichen.

Horizontale Themen

Die EU hat Rechtssetzungskompetenzen in weiteren Bereichen, die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen haben können. Diese betreffen u. a.: 

  • den Gesundheitsschutz in der Arbeitsumwelt (Federführung BMAS),
  • den Verbraucherschutz (Federführung BMUV),
  • den Datenschutz (Federführung BMI) und
  • den Katastrophenschutz (Federführung BMI).
Stand: 19. Dezember 2023
Hinweis
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie nutzen leider eine Browser-Version, die nicht länger vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt wird. Um das Angebot und alle Funktionen in vollem Umpfang nutzen zu können, aktualisieren Sie bitte ihren Browser auf die letzte Version von Chrome, Firefox, Safari oder Edge. Aus Sicherheitsgründen wird der Internet Explorer nicht unterstützt.