Warken: Wir stärken die Apotheken vor Ort – jetzt und für die Zukunft
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat beim 75. Apothekertag in Düsseldorf die Inhalte der geplanten Apothekenreform vorgestellt: Mehr Kompetenzen und Eigenverantwortung, Stärkung des wirtschaftlichen Spielraums - insbesondere für Apotheken in ländlichen Regionen und weniger Bürokratie im Arbeitsalltag.
Fahrplan für Reformen im Apothekenwesen
Apotheken sind eine tragende Säule in der Arzneimittelversorgung und eine wichtige, niedrigschwellige Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger bei Fragen zur Gesundheit. Allerdings stehen vor allem kleinere und ländliche Apotheken vor Herausforderungen durch Fachpersonalmangel, Strukturwandel - bspw. Abwanderung von Arztpraxen, Arzneimittelbestellungen über das Internet - und sinkende Wirtschaftlichkeit. Zudem ändern sich Versorgungsbedarfe und die Rolle der Apotheken: von einer im Kern logistisch ausgerichteten Aufgabe bringen Apothekerinnen und Apotheker ihren pharmazeutischen Sachverstand vermehrt in andere Leistungsbereiche ein und haben bewiesen, dass sie diese neuen Tätigkeiten qualitativ hochwertig ausführen und zu einem hohen Patientennutzen beitragen können. Ziel der Reform ist es, auch langfristig ein flächendeckendes Apothekennetz für eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung zu erhalten und die Kompetenzen der Apotheken noch umfassender als bisher für die Gesundheitsversorgung zu nutzen, beispielsweise in der Prävention. Dafür stärken wir Apotheken vor allem im ländlichen Raum, geben Apothekerinnen und Apothekern mehr Eigenverantwortung, bauen Bürokratie ab und verbessern die Wirtschaftlichkeit der Apotheken.
Das BMG beabsichtigt, folgende Regelungen in einem Gesetz- und Verordnungspaket zeitnah umzusetzen:
Anpassung der Apothekenvergütung
Die FinanzKommission Gesundheit hat ihre Arbeit aufgenommen und bewertet die Finanzlage der Gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Ziel, die Beitragssätze in der GKV nachhaltig zu stabilisieren und Strukturreformen vorzuschlagen. Zudem soll die Kommission sämtliche im Koalitionsvertrag enthaltenen Vorhaben auf ihre Finanzwirkung hin bewerten. Die Ergebnisse der Kommission bleiben zunächst abzuwarten. Der Koalitionsvertrag sieht eine Erhöhung des Apothekenpackungsfixums vor, das Apotheken für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln pro Packung erhalten. Aufgrund der derzeit wirtschaftlich massiv angespannten Lage der GKV muss dieses Vorhaben daher aktuell noch zurückstehen.
Anpassung der Honorare über Verhandlungslösung: Als neues Element der Apothekenvergütung wird eine Verhandlungslösung etabliert. Die Vertragspartner der Selbstverwaltung erhalten damit den Auftrag, Anpassungen für die Apothekenvergütung zu verhandeln. Die Apothekerschaft erhält damit die Möglichkeit – wie andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen auch – ihre Vergütung selbst mitzubestimmen. Um konstruktive Verhandlungen zu fördern, werden rechtlich verbindliche Leitplanken in Form bestimmter Indizes vorgegeben.
Wiedereinführung von handelsüblichen Skonti: Der BGH hat im Februar 2024 entschieden, dass zwischen Großhändlern und Apotheken Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Arzneimittel nur innerhalb des variablen Großhandelszuschlags von 3,15 Prozent erlaubt sind – darüber hinaus gehende Skonti oder sonstige Vergünstigungen sind unzulässig. Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Preisnachlässe für Apotheken sollen handelsübliche Skonti für vorfristige Zahlung künftig wieder ermöglicht werden.
Erhalt des flächendeckenden Apothekennetzes
In ländlichen Gebieten können Schließungen von Apotheken größere Auswirkungen auf die Erreichbarkeit von Apotheken haben. Damit solche Standorte erhalten bleiben, sollen die Verhandlungen der Selbstverwaltung auch gesonderte Zuschläge für Landapotheken enthalten. Bis diese Förderung auf Grundlage von Geodaten und weiteren Parametern in der Praxis umgesetzt werden kann, wird die Vergütung ländlicher Apotheken über eine signifikante Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschale gestärkt. Der bisherige Zuschlag für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) in Höhe von 20 Cent pro Packung verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird dazu auf die Nacht- und Notdienstvergütung umverteilt, womit eine annähernde Verdopplung der Pauschale erreicht wird. Über Zuschüsse auch für Teilnotdienste sollen die Länder in intelligenten Notdienstkonzepten zudem eine flexiblere, das Personal weniger belastende Notdiensteinteilung vorsehen können. Für abgelegene Regionen mit deutlich eingeschränkter Arzneimittelversorgung sollen zudem Anreize für die Gründung weiterer Zweigapotheken gesetzt werden, etwa indem Hürden bei der Beantragung abgesenkt werden.
Die Fachkräftesicherung stellt für Apotheken eine große Herausforderung dar, insbesondere in ländlichen Gebieten. Die Reform sieht daher den flexibleren Einsatz von Personal vor – etwa bei der Festlegung von Filialleitungen.
Wir schaffen Weiterqualifizierungsmöglichkeiten für pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) – dies steigert die Attraktivität dieser in der Versorgung sehr wichtigen Berufsgruppe für die Apotheke und trägt langfristig zur Sicherung des Berufsnachwuchses bei. In zweijährigen berufsbegleitenden Kursen können PTA eine zeitlich begrenzte Befähigung zur Vertretung der Apothekenleitung erwerben. Das Curriculum legt die Bundesapothekerkammer fest.
Apotheken von Bürokratie entlasten – Patientensicherheit stärken
Im Sinne einer gestärkten Eigenverantwortung soll Bürokratie abgebaut werden. Wir wollen dazu die Austauschmöglichkeiten von Arzneimitteln erweitern. So sollen Apotheken bei der Einlösung von Arzneimittelverordnungen künftig wirkstoffgleiche Arzneimittel bereits dann abgeben dürfen, wenn das verordnete Arzneimittel nicht in der Apotheke vorrätig ist. Patientinnen und Patienten profitieren davon durch schnellere Versorgung und kürzere Wartezeiten, Apotheken durch eine Entlastung bei den Bestellvorgängen. Diese Regelung wird zunächst zeitlich befristet und im Anschluss auf ihre Kostenwirkung für die gesetzliche Krankenversicherung evaluiert.
Eine Nullretaxation aus formalen Gründen schaffen wir ab. In der Versorgung kann es zu Fällen kommen, in denen das abgegebene Arzneimittel sich von dem nach Rahmenvertrag abzugebenden
Arzneimittel durch die Apotheke unterscheidet, es aber zu keiner konkreten Gefährdung der Arzneimitteltherapiesicherheit kommt und die Leistungspflicht der Krankenkasse somit gegenüber dem Versicherten grundsätzlich erfüllt wird. In solchen Fällen soll eine Nullretaxation grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Die Öffnungszeiten werden freigegeben – damit können vor allem Apotheken in ländlichen Regionen ihre Geschäftszeiten besser an den Bedarf vor Ort anpassen. Für effizientere Betriebsabläufe sollen die Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln bzw. Ausgangsstoffen vereinfacht und weitere Einzelvorschriften gestrichen werden. Labore müssen in Zukunft in Filialapotheken nur noch an einem Standort vorgehalten werden.
Vorgaben für den Versand kühlkettenpflichtiger und kühlpflichtiger Arzneimittel werden konkretisiert. Diese Arzneimittel müssen zukünftig immer mit geeigneten Transportunternehmen unter dokumentierten Bedingungen versandt werden.
Kompetenzen von Apotheken besser für die Versorgung nutzen
Die Apotheken sollen künftig noch besser für die Gesundheitsversorgung genutzt werden und so auch Arztpraxen entlasten. Durch ihren niedrigschwelligen Zugang sind Apotheken prädestiniert, eine wichtige Rolle im Bereich Prävention einzunehmen. Kundinnen und Kunden können hier ohne Termin rund um die Uhr beraten und mit Arzneimitteln versorgt werden. So sollen Apotheken etwa einfache diagnostische Tests in der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen anbieten können. Die Impfmöglichkeiten in den Apotheken werden erweitert und die Durchführung von patientennahen Schnelltests in Apotheken wird ermöglicht. Apotheken sollen künftig neben Grippe- und COVID-19-Impfungen alle Impfungen mit sogenannten „Totimpfstoffen“ anbieten können.
Die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) werden ausgebaut und neu strukturiert. Der Vereinbarungsauftrag an die Selbstverwaltung wird durch konkrete, gesetzlich vorgegebene pDL ergänzt. Um die pDL besser für alle Beteiligten an der Versorgung nutzbar zu machen und die Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen zu verbessern, sollen Apotheken die Durchführung von pDL und deren Ergebnisse in der elektronischen Patientenakte (ePA) vermerken bzw. auch direkt der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt mitteilen. Zudem sollen Ärztinnen und Ärzte pDL verordnen können. Der aktuell zur Vergütung der Leistungen genutzte pDL-Fonds, der über einen Zuschlag auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gespeist wird, soll perspektivisch aufgelöst werden. Apotheken sollen pDL dann künftig mit der jeweiligen Krankenkasse der versicherten Person direkt abrechnen.
Es soll Apothekerinnen und Apothekern künftig möglich sein, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne ärztliche Verordnung abzugeben, etwa bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten bei dringendem Bedarf und bekannter Langzeitmedikation. Auch bei einer Reihe von grundsätzlich unkomplizierten Erkrankungen (z.B. unkomplizierter Harnwegsinfekt) sollen Apothekerinnen und Apotheker eigenverantwortlich bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben können. Damit werden Arztpraxen entlastet und es kann eine schnelle Versorgung erfolgen. Die Abgaben werden in der elektronischen Patientenakte (ePA) dokumentiert.