Lauterbach: Bevölkerung stärker gegen den Schwarzmarkt schützen

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Bundesrat zum Cannabisgesetz.

22. März 2024

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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: 

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zunächst einmal möchte ich Ihnen, Herr Kretschmer, für Ihre klaren Worte danken. Sie haben es ungefähr wie folgt formuliert: Jetzt wird die Büchse der Pandora geöffnet. – Ist das wirklich wahr? Ist das die Situation? Sind Sie sich der Tatsache bewusst, dass wir mit dem Gesetz nicht heute das Cannabis in Deutschland einführen, sondern dass sich allein in der Zeit von 2011 bis 2021 der Konsum bei Jugendlichen, 12 bis 17 Jahre, verdoppelt hat? Ist Ihnen klar, dass sich die Zahl der Konsumenten in der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren, wo das auch sehr problematisch ist, weil das Gehirn noch wächst, ebenfalls verdoppelt hat? Ist Ihnen klar, Herr Kretschmer, haben Sie gesehen, dass die Zahl der Drogentoten sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat? Ist die Büchse der Pandora denn nicht längst offen?

Wir müssen hier doch fragen: Sind wir erfolgreich unterwegs? Haben wir einen Weg eingeschlagen, der funktioniert, oder müssen wir neu nachdenken? Dazu gehört, dass wir auch darüber nachdenken, ob es nicht an der Zeit ist, dass wir den Schwarzmarkt bekämpfen, der zur Ausweitung all dieser Probleme führt, den Schwarzmarkt, der immer lukrativer wird, der mit Cannabis beginnt, über Kokain geht, demnächst Crack und Fentanyl bringt. Müssen wir nicht die Gesellschaft stärker schützen vor einem Schwarzmarkt, gegen den wir derzeit überhaupt keine wirkliche Abschottung gefunden haben, auch nicht für unsere Kinder? Das ist die Grundlage, weshalb wir heute miteinander reden.

Wir können uns hier sagen: Lasst uns nicht über dieses Thema reden! Wir lassen es so, wie es jetzt ist. Vielleicht wird es dann demnächst besser. – Aber mit dieser Haltung hatten wir doch noch nie Erfolg. Ich bin selbst über viele Jahre ein Gegner der Legalisierung von Cannabis gewesen, habe dazu meine Partei beraten, habe vieles gemacht. Aber ich habe meine Meinung geändert, weil die Studienlage inzwischen eine andere ist. Die Studienlage ist die: Den Ländern, die das mit der Legalisierung gut gemacht haben – Kanada oder einige US-Bundesstaaten wie Colorado –, ist es gelungen, den Anteil des Schwarzmarkts nach der Legalisierung um 75 Prozent zu senken. Natürlich ist das nicht der Weg von Holland. Jeder hier kann erklären, wie schlecht es in Holland ist. Ich habe jahrelang in Aachen gelebt, dort studiert. Ich kenne den holländischen Weg. Aber das ist doch genau der Fehler, den wir vermeiden wollen. Wir wollen die schlechteste Kombination vermeiden, bei der wir legalisieren, aber dann keine Alternative zum Schwarzmarkt haben. Dann habe ich quasi eine Bonanza-Situation für den Schwarzmarkt, denn dann ist es plötzlich legal, aber der Schwarzmarkt bleibt. Wenn wir eine echte Alternative schaffen wollen, dann muss es auch legalen Anbau geben.

Frau Gerlach sagt: Das ist zu wenig. Das schaffen die Anbauvereine nicht. Die werden das nicht abdecken. – Andere wiederum sagen: 50 Gramm ist viel zu viel. – Wir haben uns mit wissenschaftlichen Beratern die Frage gestellt: Wie müssen wir den Anbau organisieren, damit der Schwarzmarkt wirklich verschwindet, ohne dass wir einen neuen Markt bilden? Ich möchte mich ausdrücklich bedanken für die Gespräche, die wir mit den Ländern gehabt haben. Ich persönlich habe mit den Justizministern gesprochen, ich habe mit den Innenministern gesprochen, mit den Gesundheitsministern sowieso, und ich muss sagen: Ich habe einiges gelernt. Ich habe versucht, das auch umzusetzen in der Protokollerklärung, die heute vorliegt.

So haben wir zum Beispiel mit Frau Köpping aus Sachsen darüber gesprochen, dass wir die Besitzmengen, die ich hier verteidigt habe, noch mal evaluieren müssen. Passt das so mit den 50 Gramm? Das werden wir nach 18 Monaten evaluieren. Wir werden auch die Mindestabstände evaluieren. Das war auch ein Wunsch von Frau Köpping. Das haben wir aufgenommen. Frau Köpping hat darum gebeten, dass wir den Kinder- und Jugendschutz noch einmal verstärken. Das habe ich aufgenommen. Das ist in der Protokollerklärung drin. Das werden wir umsetzen.

Ministerpräsidentin Schwesig hat gesagt: Vorsicht! Vielleicht führen wir doch die Kommerzialisierung durch die Hintertür ein, indem wir sehr große Anbauvereinigungen zulassen, die dann quasi industriell herstellen, sodass wir so eine Art Produktion im Hinterland haben. – Das wollen wir nicht. Wir wollen Eigenanbau, wir wollen den Anbau durch die Anbauvereinigungen, aber nicht mehr als auch wirklich benötigt wird. Keine Kommerzialisierung durch die Hintertür! Das haben wir ebenfalls in der Protokollerklärung aufgenommen. Dadurch ist das Gesetz besser geworden.

Lassen Sie mich Folgendes sagen: Ich bin selbst kein Jurist. Ich spreche aber gerne mit vielen Juristen. Minister Buschmann hat klar ausgeführt: Die Amnestieregelung ist hier geboten. Sie ist rechtlich und auch verfassungsrechtlich der beste Weg. – Ich kann das so kommentieren: Wenn ich höre, dass es Schwierigkeiten gibt, diese Amnestie umzusetzen, nehme ich das ernst. Ich kann das selbst vom Aufwand her nicht genau beurteilen, aber ich glaube, dass das ein großer Aufwand ist. Aber was ist denn unsere Botschaft für diejenigen, die jetzt noch im Gefängnis sitzen, im Vollzug sind? Sollen wir denen sagen: „Wir können uns diese Arbeit nicht machen. Bleibt, wo ihr seid! Wir können das nicht umsetzen“? Das kann nicht die Botschaft sein. Darüber hinaus haben wir ja derzeit 180 000 neue Delikte von Cannabiskonsum pro Jahr. Das Gesetz bedeutet doch auch eine deutliche Entlastung der Gerichte.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen! In der Protokollerklärung ist einiges enthalten, womit wir Ihnen entgegenkommen wollen, womit wir weitere Entlastungen bringen. Ich kann nur so viel sagen: Wenn wir das heute nicht schaffen würden, dann wäre das ein großartiger Tag für die Dealer, für den Schwarzmarkt, denn sie würden dann alles für sich behalten. Sie hätten den Zugang zu unseren Kindern, zu den Jugendlichen. Wir haben heute die Chance, durch eine Entkriminalisierung und bessere Aufklärung, besseren Jugendschutz, bessere Prävention, insbesondere die nächste Generation vor der Kriminalität, vor dem Konsum und vor dem Schwarzmarkt zu schützen. – Ich danke Ihnen.

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