Ärztliche Behandlung und Versorgungsformen
Ob chirurgische Eingriffe, Physiotherapie, psychotherapeutische Behandlung oder Arzneimittel – die Krankenkassen übernehmen Leistungen, die das Maß des medizinisch Notwendigen nicht überschreiten und die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Dabei müssen die Krankenkassen sowohl den geschlechtsspezifischen Besonderheiten als auch den besonderen Belangen von Menschen mit Behinderungen und von chronisch kranken Menschen Rechnung tragen. Der Leistungsumfang wird regelmäßig an den jeweils anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) angepasst. Allen Versicherten kommt dies zugute – unabhängig von den Beiträgen, die sie zahlen.
Verbesserung der ärztlichen und psychotherapeutischen Behandlung
In Deutschland gilt die freie Arztwahl. Gesetzlich Versicherte können jede Ärztin und jeden Arzt in Anspruch nehmen, die oder der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen oder hierzu ermächtigt ist. Das kann sowohl eine Hausärztin oder ein Hausarzt als auch eine Fachärztin oder ein Facharzt, ein medizinisches Versorgungszentrum oder eine andere ambulante Einrichtung sein. Gleiches gilt für Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die zur (vertrags-) psychotherapeutischen Versorgung zugelassen sind.
Für eine möglichst kontinuierliche Versorgung sollten die Versicherten eine Hausärztin oder einen Hausarzt wählen und an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte innerhalb eines Kalendervierteljahres nur aus wichtigem Grund wechseln.
Um auch in Zukunft eine bedarfsgerechte und flächendeckende gut zugängliche medizinische Versorgung der Versicherten sicherzustellen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene gesetzliche Regelungen getroffen, die dazu dienen, die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Räumen zu verbessern. Gestärkt wurden darüber hinaus die Rechte der Patientinnen und Patienten und es wurden zahlreiche Maßnahmen zur Integration der Digitalisierung im Behandlungsablauf vorgenommen. Zudem wurde für eine auch in Zukunft gute Versorgung in Krankenhäusern gesorgt.
Verbesserung der Versorgung im ländlichen Raum
Im Gegensatz zu Städten und Ballungsgebieten stellt die ärztliche Versorgung in vielen ländlichen und strukturschwachen Regionen eine große Herausforderung dar. Für die in unterversorgten Gebieten tätigen Leistungserbringer konnten schon in der Vergangenheit durch die Anwendung besserer Honorarverteilungsregelungen sowie durch Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) Anreize für eine Niederlassung gesetzt werden. Möglich ist zum Beispiel auch die Vergabe von Stipendien, die dazu verpflichten, später als niedergelassene Ärztin oder als niedergelassener Arzt in einem bestimmten Gebiet tätig zu werden. Hinzu kommen Hilfen bei der Niederlassung und der Übernahme einer Praxis sowie Zuschläge zur Vergütung, beispielsweise zur Förderung von Haus- und Pflegeheimbesuchen.
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurden die Strukturfonds der KVen aufgestockt und verbindlicher ausgestaltet: Die KVen haben nun sicherzustellen, dass bereitgestellte Mittel für Fördermaßnahmen auch ausgeschöpft werden. Zudem wurden die möglichen Verwendungszwecke erweitert. Gefördert werden können nun unter anderem die Investitionskosten bei Praxisübernahmen oder die Errichtung von Eigeneinrichtungen (durch KVen) und lokalen Gesundheitszentren für die medizinische Grundversorgung. In Gebieten, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellt hat, dass eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist, besteht nach sechs Monaten sogar eine Verpflichtung zum Betrieb solcher Eigeneinrichtungen. Die kann auch in telemedizinischen oder mobilen Versorgungsformen erfolgen. An die in diesen Gebieten tätigen Leistungserbringer sind Sicherstellungszuschläge zu zahlen.
Damit Ärztinnen und Ärzte dort tätig sind, wo sie für eine gute Versorgung gebraucht werden, sah das Gesetz schon in der Vergangenheit vor, dass eine Praxis in einem überversorgten Gebiet nur nachbesetzt werden kann, wenn dies für die Versorgung der Patientinnen und Patienten auch sinnvoll ist. Die Einzelfallentscheidung treffen Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft und der Krankenkassen in den Zulassungsausschüssen vor Ort. In ländlichen oder strukturschwachen Gebieten können zudem nunmehr zusätzliche Zulassungsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte oder für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten geschaffen werden, soweit dies von den Ländern so bestimmt wird.
Darüber hinaus wurden Ärztinnen und Ärzte weiter entlastet, indem die Einsatzmöglichkeiten für qualifiziertes nichtärztliches Personal im Rahmen delegationsfähiger Leistungen gestärkt wurden. Krankenhäusern wurde es erleichtert, ambulante ärztliche Versorgung zu leisten, wenn der Bedarf an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten nicht abgedeckt werden kann.
Zu einer guten wohnortnahen Versorgung sollen auch die im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehenen sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen beitragen. Diese Krankenhäuser sollen stationäre Leistungen der Grundversorgung sowohl mit ambulanten ärztlichen Leistungen als auch mit pflegerischen Leistungen verbinden. Hiervon können insbesondere Krankenhäuser profitieren, deren Fortbestand aufgrund des geringen stationären Versorgungsbedarfs in der Region nicht gesichert ist. Es besteht die Möglichkeit, das Leistungsangebot dieser Krankenhäuser sektorübergreifend an dem jeweiligen Bedarf an stationären, ambulanten oder pflegerischen Leistungen auszurichten. Sie erhalten dazu erweiterte Möglichkeiten zur ambulanten Leistungserbringung. Auch darüber hinaus finden die Belange von ländlichen und strukturschwächeren Räumen im Rahmen des KHVVG besondere Berücksichtigung. Hierzu ist unter anderem vorgesehen, die Zuschläge für bedarfsnotwendige Krankenhäuser im ländlichen Raum um 25 Prozent zu erhöhen. Die Sicherstellungszuschläge für bedarfsnotwendige defizitäre Krankenhäuser im ländlichen Raum bleiben erhalten. Darüber hinaus gelten zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung hinsichtlich der Qualitätskriterien der Leistungsgruppen bestimmte Ausnahmeregelungen und Kooperationsmöglichkeiten.
Zudem wurde auch Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen und damit aktiv die Versorgung in der Region zu verbessern. Um mehr Nachwuchs für eine flächendeckende hausärztliche Versorgung zu gewinnen, wurde mit dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ unter anderem die sogenannte Landarztquote vereinbart. Durch diese ist es möglich, dass Bewerberinnen und Bewerber, die später in ländlichen Regionen hausärztlich tätig sein möchten, in einem gesonderten Verfahren zum Medizinstudium zugelassen werden können. Die Mehrzahl der Länder hat die Landarztquote bereits eingeführt. Um die gesamte hausärztliche Versorgung zu stärken, haben die meisten Länder die Landarztquote auch für solche Bewerberinnen und Bewerber geöffnet, die sich zu einer späteren Weiterbildung im gesamten hausärztlichen Bereich, also auch in der Inneren Medizin und der Kinder- und Jugendmedizin, verpflichten.
Telemedizin verbessert die Versorgung im ländlichen Raum
Telemedizinische Anwendungen, wie die Videosprechstunde und das Telekonsil (der fachliche Austausch unter Ärztinnen und Ärzten via Video), wurden bereits 2017 infolge des E-Health-Gesetzes in die Versorgung eingeführt und seither durch die Gesetzgebung weiter vorangebracht. So wurden beispielsweise telemedizinische Anwendungen in der vertragsärztlichen Versorgung auch für solche Fälle als zulässig erklärt, in denen es zu keinem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt kommt, sondern der Austausch ausschließlich via Video stattfindet. Aber auch für Patientinnen und Patienten, die sich bereits in der Behandlung bei der ihnen bekannten Ärztin beziehungsweise dem ihnen bekannten Arzt befinden, kann Telemedizin einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung im ländlichen Raum bieten, denn durch sie können für die Patientin oder den Patienten, aber auch für die Ärztin oder den Arzt räumliche Grenzen überwunden werden.
Mit dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) wurde die Telemedizin weiter ausgebaut. Heilmittelerbringende können nun ebenfalls telemedizinische Leistungen anbieten. Für Hebammen haben die Vertragsparteien des Hebammenhilfevertrags zu bestimmen, welche Leistungen telemedizinisch erbracht werden können. Inzwischen können auch psychotherapeutische Akutbehandlungen im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden. Auch im Notdienst kann telemedizinisch- behandelt werden.
Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) wurde die bisher gesetzlich geltende Begrenzung zur Erbringung der Videosprechstunden aufgehoben und damit flexibilisiert, um Videosprechstunden in einem größeren Umfang zu ermöglichen. Es wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Ärztinnen und Ärzte Leistungen der Videosprechstunde auch außerhalb der Praxisräume anbieten können („Homeoffice“). Zudem wurde der gesetzliche Rahmen für die assistierte Telemedizin in Apotheken geschaffen.
Diese Digitalisierungsmaßnahmen ermöglichen unter anderem eine zeitnahe medizinische Versorgung, die Distanzen problemlos überwinden kann – so kann zum Beispiel das Fachwissen von Expertinnen und Experten unabhängig vom Wohnort der Patientinnen und Patienten unmittelbar zur Verfügung gestellt werden, eine Notfallsituation eingeschätzt oder medizinischer Rat eingeholt werden.
Terminvermittlungen werden zusätzlich finanziert
Damit Versicherte in dringenden Fällen schneller einen Termin bei einem Arzt oder Psychotherapeuten erhalten, bekommen Praxen, die freie Termine bereitstellen, die Behandlung extrabudgetär bezahlt sowie einen extrabudgetären Zuschlag von 100, 80 oder 40 Prozent zur Versicherten-, Grund- beziehungsweise Konsiliarpauschale. Die Termine werden vermittelt durch die Terminservicestellen (TSS) der Kassenärztlichen Vereinigungen – online über den 116117-Terminservice, die 116117-App oder telefonisch über 116117 oder den Haus- oder Kinder- und Jugendarzt. Haus- sowie Kinder- und Jugendärzte erhalten 15 Euro, wenn sie für einen Patienten zeitnah einen Termin beim Facharzt oder Psychotherapeuten vermitteln.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
In MVZ arbeiten mehrere Ärztinnen und Ärzte – oft auch in verschiedenen Fachrichtungen – unter einem Dach. Im Gegensatz zu den klassischen Teilnahmeformen (Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft), bei denen die Praxisinhaber die ärztliche Tätigkeit in der Regel persönlich auszuüben haben, zeichnen sich MVZ insbesondere durch eine organisatorische Trennung der Inhaberschaft von der ärztlichen Behandlungstätigkeit aus. Zum Teil sind im gleichen Gebäude auch noch andere Anbieter von Gesundheitsleistungen tätig, wie zum Beispiel Physio oder Ergotherapeutinnen und therapeuten. In diesen Fällen ist es möglich, sich gemeinsam über Krankheitsverlauf, Behandlungsziele und Therapie der Patientinnen und Patienten zu verständigen. Durch eine strukturierte und koordinierte Behandlung kann zum Beispiel die gleichzeitige Anwendung mehrerer Arzneimittel besser aufeinander abgestimmt und Mehrfachuntersuchungen vermieden werden. Bei MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern ist es zudem möglich, die stationäre und die ambulante Behandlung enger aufeinander abzustimmen und eine umfassende Versorgung aus einer Hand zu gewährleisten.
Verbesserung der ärztlichen Weiterbildungsförderung
Die Förderung bestimmter ärztlicher Weiterbildungen wurde in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Bereits im Jahr 2015 stieg die Zahl der mindestens zu fördernden Weiterbildungsstellen in der Allgemeinmedizin von 5.000 auf 7.500. Im Jahr 2019 wurde zusätzlich die Weiterbildung der grundversorgenden Fachärztinnen und Fachärzte noch einmal verbessert, indem die Anzahl der bundesweit zu fördernden Stellen von 1.000 auf bis zu 2.000 Stellen erhöht wurde. Zudem wurde ausdrücklich eine Förderung der Weiterbildung in der Kinder- und Jugendmedizin vorgegeben. Explizit geregelt wurde, dass eine Förderung von mindestens 250 Kinder- und Jugendärztinnen beziehungsweise -ärzten vorzusehen ist. Weiterzubildende in der ambulanten Versorgung sollen durch die Förderung die gleiche Vergütung wie Assistenzärztinnen und -ärzte im Krankenhaus erhalten.
Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung
Um die psychotherapeutische Versorgung zu stärken, hat der G-BA in seiner Psychotherapie-Richtlinie die Regelungen des Therapieangebots deutlich flexibilisiert. Das betrifft insbesondere die Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden als niedrigschwelligem Zugang, die Förderung von Gruppentherapien sowie die Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Zudem wurden die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, Termine für ein Erstgespräch im Rahmen einer solchen psychotherapeutischen Sprechstunde und für die sich aus der Abklärung ergebenden zeitnah erforderlichen Behandlungen zu vermitteln.
Daneben wurden die Befugnisse der Psychotherapeutinnen und -therapeuten zur Verordnung bestimmter Leistungen im Laufe der Zeit immer mehr erweitert. So können sie zum Beispiel Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation, Krankentransporte, Krankenhausbehandlung, Soziotherapie, psychiatrische häusliche Krankenpflege und Ergotherapie verordnen. Darüber hinaus können Psychotherapeutinnen und -therapeuten nun auch Videosprechstunden anbieten.
Verbesserung der Versorgung durch Hebammen
Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe, einschließlich der freien Wahl des Geburtsortes, ist für das Bundesministerium für Gesundheit ein wichtiges Anliegen. Zur Erreichung dieses Zieles wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die für die Ausübung des Hebammenberufs maßgeblichen Bedingungen zu verbessern. So haben freiberufliche Hebammen, die Leistungen der Geburtshilfe erbringen und bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen, Anspruch auf einen Sicherstellungszuschlag, der ihre finanzielle Belastung durch die Versicherungsprämien erheblich reduziert. Zudem wurde mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) der Regressanspruch von Kranken- und Pflegekassen gegenüber freiberuflichen Hebammen eingeschränkt. Dies trägt zu einer verminderten Inanspruchnahme der Haftpflichtversicherung und damit zu einer langfristigen Stabilisierung der Versicherungsprämien bei und sichert eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe.
Zudem wurde die Dauer, während der sich Versicherte im Wochenbett von einer Hebamme betreuen lassen können, auf 12 Wochen verlängert. Auf ärztliche Anordnung hin kann die Betreuung auch noch länger in Anspruch genommen werden.
Zur Unterstützung von Familien, die eine freiberufliche Hebamme suchen, stellt der GKV-Spitzenverband aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung auf seiner Website ein elektronisches Suchverzeichnis zur Verfügung, dessen zusätzliche Angaben kontinuierlich überprüft und erweitert werden. Mithilfe des Zugriffs auf eine umfassende Datenbank wird die Suche nach Hebammen ermöglicht, die im Umkreis der Versicherten tätig sind.
Durch die mit dem KHVVG vorgesehene finanzielle Förderung in Höhe von 120 Millionen Euro jährlich für die Geburtshilfe – hiervon 20 Millionen Euro jährlich für von Hebammen geleitete Kreißsäle, sofern diese vom G-BA festzulegende Qualitätskriterien erfüllen – wird die Versorgung mit Hebammenhilfe im Krankenhaus gestärkt.