Spahn: "Stärker werden wir, wenn wir gute Debatten führen, die am Ende zusammenführen."

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag zur 2./3. Lesung des Entwurfs eines zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben gemeinsam viel erreicht. Es ist uns in der Phase Anfang/Mitte März, in der es eine sehr dynamische Entwicklung bei den Infektionszahlen gegeben hat, in der es in anderen Ländern in Europa zu einer Überforderung des Gesundheitswesens gekommen ist, in der die Frage sich stellte, ob noch alle intensivmedizinisch behandelt werden können oder nicht, gemeinsam gelungen, diese Dynamik zu brechen, die Infektionszahlen wieder in eine für das Gesundheitswesen und für uns als Gesellschaft händelbare Größenordnung zu bringen. Das macht uns demütig, nicht übermütig. Aber es macht uns auch ein Stück stolz: als Gesellschaft, als Gemeinschaft, als Nation.

Dieses Erreichte wollen wir sichern. Wissen Sie, wenn Sie mein Wahlkreisabgeordneter wären, Herr Schlund, dann würde ich mir eigentlich angesichts dessen, was Sie hier gerade geäußert haben, Sorgen machen.

Was passiert denn gerade in Greiz? In Greiz wird ganz gezielt dort getestet, wo es einen Ausbruch gibt, nämlich in Pflegeeinrichtungen. Das ist doch genau das, was passieren muss: dass dort, wo es zu einer Verbreitung des Virus kommt, insbesondere da, wo es etwa für Höchstbetagte, für Pflegebedürftige besonders gefährlich ist, umfassend getestet wird. Und ja, das führt dazu, dass die Zahlen vielleicht höher sind, aber das ist doch kein Vorwurf. Das ist Anlass dafür, dass wir in Greiz gemeinsam mithelfen, dieses Virus unter Kontrolle zu bringen.

Ein Virus wie dieses bekämpft man doch nicht, indem man es leugnet. Was ist denn da die Logik? Wenn wir nicht testen, dann gibt es auch keine Viren? Wie soll denn das funktionieren?

Deswegen machen wir genau das, was jetzt in dieser Phase notwendig ist: Wir weiten die Möglichkeit noch weiter aus, zulasten der Krankenversicherung in Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern zu testen, auch mit Blick darauf, den öffentlichen Gesundheitsdienst vor Ort zu stärken.

Wir sehen gerade in fleischverarbeitenden Betrieben, in Schlachthöfen in Coesfeld, in Steinburg, wie schnell dieses Virus sich ausbreiten kann, wenn wir es ihm zu leicht machen, weil auf zu engem Raum, ohne Abstand und ohne die notwendigen Hygieneregeln gearbeitet wird. Deswegen stärken wir mit diesem Gesetz genau diesen öffentlichen Gesundheitsdienst vor Ort, der eben dort tätig ist und weiterhin auch tätig sein muss.

Ich bin auch gerade etwas überrascht gewesen, Herr Dr. Schlund. Wissen Sie, ich habe Sie gestern im Gesundheitsausschuss - ich war ja zur Diskussion da - erlebt: besonnen, konstruktiv. Sie waren kritisch in der Sache, aber verbindlich im Ton.

Kaum ist die Kamera an, kaum besteht die Chance, dass das, was Sie hier sagen, dann von Ihrer Fraktion bei Facebook gepostet wird, kaum geht es darum, anschließend das Schulterklopfen der Kollegen abzuholen, werden Sie laut und undifferenziert. Das wird doch dem Thema nicht gerecht, und das wissen Sie doch eigentlich auch.

Ich will dabei ausdrücklich sagen, dass dies alles eine kontroverse Debatte verdient - unbedingt. Ich wäre eher beunruhigt, wenn es in unserer freiheitlichen Demokratie keine kontroverse Debatte gäbe über Verhältnismäßigkeit, darüber, dass dies natürlich die größten Einschränkungen der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in der Geschichte der Bundesrepublik waren, über die Frage, was wann warum entschieden worden ist. Natürlich muss es diese Debatten geben, weil nur dadurch auch Akzeptanz, Nachvollziehbarkeit und Transparenz entstehen können.

Die entscheidende Frage ist nur, wie wir diese Debatten führen. Wir haben zu Beginn dieser Pandemie ein ganz neues Wirgefühl erlebt - nach Monaten von Aggressivität und Polarisierung -, wo wir zusammengestanden haben, wo man sich unterstützt hat beim Einkaufen, wo alle gesagt haben: Wir wollen einander achten, wir wollen aufeinander achten, wir wollen uns und andere schützen. - Ich finde es sehr wichtig, dass wir diese Debatten - auch die kontroversen - so führen, dass wir dabei zusammenbleiben, dass wir den Ausgleich, die Balance suchen, dass wir sie nicht so führen, dass wir spalten und polarisieren. Denn das macht uns nicht stärker. Stärker werden wir dann, wenn wir gute Debatten führen, die am Ende zusammenführen. Das ist Ziel dieses Gesetzes, und das ist Ziel unserer Regierungspolitik.

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