Spahn: Die Zahl der Organspenden muss weiter steigen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag zum Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Redepult im Plenarsaal des Deutschen Bundestages

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Letzte Woche hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation die Organspendezahlen für 2018 bekannt gegeben. Die Nachricht ist eine gute: Die Zahlen sind um etwa 20 Prozent gestiegen - von knapp 800 auf über 950 Organspenden. Das ist gut, aber das ist noch nicht gut genug angesichts der Zahl von 10 000 Patientinnen und Patienten in Deutschland, die auf ein Organ warten, und angesichts des Umstandes, dass jeder von uns, jeder in Deutschland morgen auf eine Organspende angewiesen sein könnte.

Das zeigt aber - das ist ja auch erst mal etwas Gutes -, dass allein schon der Umstand, dass wir es im letzten Jahr geschafft haben, durch öffentliche Diskussionen, durchaus auch durch Informationskampagnen zu erreichen, dass ein Diskurs in der Gesellschaft - ich habe das in vielen Rückmeldungen mitbekommen - am Mittagstisch, auf der Arbeit, in der Nachbarschaft geführt worden ist. So ist aus der politischen Debatte hier im Bundestag, aus unserem Ringen auch um grundsätzlichere Fragen der Organspende, eine Debatte geworden, die tatsächlich in die Breite der Gesellschaft gestreut ist. Das zeigt eben: Sich mit dem Thema zu beschäftigen und Aufmerksamkeit zu schaffen für die Fragen von Organspende, vor allem für die Situation, dass 10 000 Menschen warten, führt dazu, dass Organspendezahlen steigen. Und das zeigt: Eine Debatte macht einen Unterschied. Ich halte das für sich genommen auch schon für ein gutes Signal.

Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir vor allem die Strukturen in den Krankenhäusern verändern, die Organisation dort verbessern, auch Vergütungsfragen so regeln, dass es für die Krankenhäuser, die sich um Organspende und höhere Spendenzahlen kümmern, nicht auch noch ein Nachteil ist, das zu tun.

Was genau haben wir vor? Ich will vier Punkte kurz aufgreifen.

Das Erste ist die Frage des Transplantationsbeauftragten, der es im Klinikalltag heute oft schwer hat, den nötigen Freiraum, die nötige Zeit und manchmal auch die nötige Aufmerksamkeit in der jeweiligen Klinik zu haben. Das ist, wie ich aus vielen Gesprächen weiß, sehr unterschiedlich. Einige Krankenhäuser machen das sehr vorbildlich; andere tun sich da bis jetzt eher schwer. Es geht also darum, dem Transplantationsbeauftragten durch verbindliche Freistellungsregelungen und eine entsprechende Refinanzierung mehr Freiraum und mehr Zeit zu geben. Seine Position im Klinikalltag soll aufgewertet werden, auch hinsichtlich Informationsmöglichkeiten, also Zugang zu Informationen und zu Intensivstationen, aber vor allem auch hinsichtlich der Möglichkeiten, potenzielle Organspender zu identifizieren und insbesondere - das ist ja das Entscheidende - in sehr schwierigen Lebenslagen Gespräche in aller Ruhe zu führen.

Das zweite große Thema ist die Frage der Vergütung. In den Krankenhäusern, in denen die Organe entnommen werden, bedeutet das natürlich auch eine Beanspruchung von Ressourcen und Kapazitäten, ob es um Apparate, Diagnostik, Pfleger, Ärzte oder auch den Operationssaal geht, der dann über Stunden entsprechend vorgehalten wird. Es muss dafür gesorgt sein, dass ein Krankenhaus, das sich aktiv darum kümmert, dass die Spenderzahlen steigen und dass Organe entnommen werden können, darf nicht auch noch finanziell schlechter gestellt ist. Deswegen haben wir sehr großzügige Regelungen vorgesehen, um diese Mehrkosten abzudecken. Ich denke, dass das auch ein wichtiges Zeichen für die Kliniken ist, sich hier mehr zu engagieren.

Wir haben drittens die Einrichtung eines konsiliarärztlichen Rufbereitschaftsdienstes vorgesehen. Was ist das Ziel? Das Ziel ist, in jedem Entnahmekrankenhaus sicherzustellen, dass zu jeder Zeit Neurologen oder Neurochirurgen feststellen können, wann die Hirnfunktionen unwiederbringlich ausgefallen sind und damit eben eine Organspende möglich ist. Durch Verträge zwischen den Kostenträgern und der Ärzteschaft soll sichergestellt werden, dass wir regional entsprechende Bereitschaftsdienste haben, die kurzfristig abrufbar sind. Wir sammeln parallel ja auch Erfahrungen aus dem Transplantationsregister; dabei geht es darum, gezielt im Einzelfall zu sehen, was dann passiert ist oder woran möglicherweise eine Organspende gescheitert ist.

Ein letzter, ein vierter Punkt, den ich ansprechen will, der mir auch persönlich sehr wichtig ist, ist die Frage der Angehörigenbetreuung. Die Empfänger eines Organs, einer Organspende möchten ihren Dank gerne ausdrücken, auch ausdrücken können gegenüber der Familie, den Angehörigen des Spenders. Das muss natürlich anonym passieren. Es muss aber trotzdem möglich sein. Nach der derzeitigen Rechtsprechung haben wir keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür. Das heißt, der Dank des Empfängers erreicht heute nicht die Angehörigen des Organspenders. Und das wollen wir hiermit ändern.

Ich weiß aus dem eigenen Bekanntenkreis etwa von einer Familie, die ihren Sohn leider sehr früh durch einen Unfall verloren hat und die bis heute im positiven Sinne davon zehrt, dass ihr Sohn - sie musste ja in einer sehr schwierigen Situation die Entscheidung treffen, dass er als Organspender zur Verfügung steht - helfen konnte. Eine solche Entscheidung fällt einem ja erst einmal schwer. Die Dankesbriefe und auch die Treffen, die die Stiftung im Rahmen der Nachbetreuung organisiert, sind für sie sehr wichtig, auch emotional, weil sie so wissen, dass es geholfen hat, und das dann auch für sich selbst klar haben. Deswegen ist das eine relativ kleine, aber eine wichtige Regelung, gerade auch für die Angehörigen der Organspender.

Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses Gesetz in einen relativ großen Konsens beschlossen würde. Wir haben schon im Bundesrat gemerkt, dass dies einer der ganz wenigen Gesetzentwürfe ist, zu dem es nicht einen einzigen Änderungswunsch des Bundesrates gegeben hat. Meine Bitte an den Deutschen Bundestag ist, dass wir schnell in die Beratungen einsteigen und sie möglichst zügig abschließen, damit die entsprechenden Verbesserungen dann auch sehr schnell in den Kliniken spürbar sind. Parallel werden wir hier im Deutschen Bundestag noch die grundsätzlichen Fragen, zum Beispiel ob Entscheidungs- oder Widerspruchslösung, miteinander debattieren. Ich fände es aber ein starkes, ein schönes Signal, wenn wir dieses Gesetz, das vor allem Organisations- und Finanzfragen, die aber sehr konkrete positive Wirkungen haben, beinhaltet, jetzt auch zügig in die Beratungen bringen.

Danke schön.

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