Fragen und Antworten zur Reform der Lebendorganspende

Welches Ziel soll mit dem Gesetzesentwurf erreicht werden?

Mit dem Gesetzentwurf soll die Überkreuzlebendspende für Nieren ermöglicht und Rechtsgrundlagen für den Aufbau eines Programms für die Überkreuzlebendnierenspende geschaffen werden. Gleichzeitig soll der Schutz der Lebendspenderinnen und Lebendspender von Organen und Gewebe gestärkt werden.

Warum ist dieser Gesetzesentwurf erforderlich?

Aktuell ist die Organspende zu Lebzeiten in Deutschland nach geltendem Recht nur in engen Grenzen zugelassen. Nach § 8 Absatz 1 TPG ist die Lebendorganspende auf einen engen Spender-Empfängerkreis begrenzt. Derzeit ist sie nur zulässig bei einer Spende an Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen, die der Spenderin oder dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen.

Vor dem Hintergrund der zu niedrigen Organspendezahlen bei verstorbenen Spenderinnen und Spendern (postmortale Organspende) und der langen Wartezeiten von bis zu acht Jahren auf eine Nierentransplantation soll mit der Novellierung der Regelungen zur Lebendorganspende die Versorgungssituation der Patientinnen und Patienten verbessert werden.

Was ändert sich konkret durch den Gesetzesentwurf?

Mit dem Gesetzesentwurf wird der Organspender- und Organempfängerkreis bei der Lebendorganspende erweitert. Abweichend von dem Erfordernis eines besonderen Näheverhältnisses nach § 8 Absatz 1 Satz 2 TPG (Verwandte ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen in besonderer persönlicher Verbundenheit) werden die Voraussetzungen für eine Überkreuzlebendnierenspende und eine sog. ‚nicht gerichtete anonyme Nierenspende‘in Deutschland geschaffen(Erläuterung siehe weiter unten). Gleichzeitig wird der Schutz der Lebendspenderinnen und Lebendspender von Organen und Gewebe gestärkt.

Was ist eine Überkreuzlebendnierenspende?

Die Überkreuzlebendnierenspende ist die Spende einer Niere zwischen inkompatiblen Organspendepaaren. Inkompatibel sind beispielsweise Spender und Empfänger, deren Blutgruppen oder Gewebemerkmale nicht zusammenpassen. In solchen Fällen würde die Niere vom Empfänger abgestoßen werden.

Bei der Überkreuzlebendnierenspende erfolgt die Entnahme der Niere einer Spenderin oder eines Spenders eines inkompatiblen Organspendepaars für die Übertragung auf eine Empfängerin oder einen Empfänger eines anderen inkompatiblen Organspendepaars. Der Empfängerin oder dem Empfänger dieses inkompatiblen Organspendepaars wird eine Niere eines Spenders eines anderen inkompatiblen Organspendepaars übertragen. Die Spende erfolgt also „überkreuz“.

Zwischen der spendenden und der empfangenden Person jedes inkompatiblen Organspendepaars muss ein besonderes Näheverhältnis im Sinne des § 8 Absatz 1 Satz 2 TPG bestehen. Damit bleibt auch in den Fällen der Überkreuzlebendnierenspende der Grundgedanke der Lebendorganspende erhalten, dass die Motivation der Spenderinnen und Spender aus der persönlichen Verbundenheit erwächst.

Was ist die ‚nicht gerichtete anonyme Nierenspende‘?

Die sogenannte ‚anonyme nicht gerichtete Nierenspende‘ ist der seltene Fall einer Spende zum Zweck der Übertragung auf ein nicht bekannte Empfängerin oder Empfänger. Eine anonyme Spende an eine nicht bekannte Person ist altruistisch motiviert und erfolgt entweder zum Zweck der Übertragung auf eine Empfängerin oder einen Empfänger eines inkompatiblen Organspendepaars oder zum Zweck der Übertragung auf eine Person in der Warteliste. Die spendende Person hat dabei keinen Einfluss auf die Empfängerin oder den Empfänger. Die Vermittlung der Nieren einer Spenderin oder eines Spenders einer nicht gerichteten anonymen Nierenspende richtet sich ausschließlich nach medizinischen Kriterien. Dadurch wird einer möglichen Kommerzialisierung einer Lebendorganspende effektiv vorgebeugt.

Wie werden Organspendepaare und Spender nicht gerichteter anonymer Nierenspenden vermittelt?

Die Nieren der Spender von inkompatiblen Organspendepaaren und nicht gerichteten anonymen Nierenspenden sind von der neuen Stelle zur Vermittlung von Nieren im Rahmen einer Überkreuzlebendnierenspende zu vermitteln. Die Vermittlung erfolgt dabei nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen.

Die inkompatiblen Organspendepaare und die Spenderinnen und Spender einer nicht gerichteten anonymen Nierenspende müssen regelmäßig abgeglichen werden. Die Intervalle, in denen ein entsprechender Abgleich erfolgt, hängen von der Anzahl der an die Vermittlungsstelle gemeldeten Organspendepaaren und Spenderinnen und Spender nicht gerichteter anonymer Nierenspenden ab.

Wie wird der Schutz der Spenderinnen und Spender gestärkt?

Mit der Erweiterung der Möglichkeiten einer Lebendorganspende wird gleichzeitig der Schutz der Spenderinnen und Spender deutlich gestärkt. Die Organlebendspende ist kein Heileingriff. Sie ist vielmehr eine chirurgische Maßnahme, die in die körperliche Unversehrtheit der Spenderin oder des Spenders eingreift und mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Spenderinnen und Spender sind zudem oftmals in einer emotional außergewöhnlich belastenden Situation, in der eine potenziell lebensverändernde Entscheidung zu treffen ist, und werden mit Ängsten und Unsicherheiten konfrontiert. Besondere Maßnahmen zum Spenderschutz sind daher geboten.

Ziel des Gesetzesentwurfs ist es daher auch, über die bestehenden Maßnahmen zum Spenderschutz hinaus eine umfassende Aufklärung zu gewährleisten sowie eine unabhängige psychosoziale Beratung und Evaluation der Spenderinnen und Spender vor einer Spende und eine individuelle Betreuung im Transplantationszentrum über den gesamten Spendeprozess vor, während und nach der Spende sicherzustellen.

Im Rahmen der nicht gerichteten anonymen Nierenspende werden besondere Anforderungen an die Aufklärung gestellt. Die Spenderin oder der Spender sind umfassend über die nicht gerichtete anonyme Nierenspende und ihre Folgen aufzuklären. Die psychosoziale Beratung und Evaluation hat im besonderen Maße die Bewegründe des Spenders und dessen geistige Fähigkeit oder Bereitschaft, die Risiken zu erfassen und in den Eingriff einzuwilligen, zugrunde zu legen.

Worüber werden Spenderinnen und Spender aufgeklärt?

Bei einer Aufklärung der Spenderin oder des Spenders ist darauf zu achten, dass diese oder dieser nicht nur über die medizinischen Befunde und Risiken aufgeklärt wird, sondern auch über sämtliche Umstände, die für ihre und seine physische und psychische Gesundheit sowie ihre und seine Lebensqualität nach einer Lebendspende wesentlich und bedeutsam sein können. Die Spenderin oder der Spender ist über den Umfang und mögliche, auch mittelbare Folgen und Spätfolgen der beabsichtigten Organ- oder Gewebeentnahme für ihre oder seine Gesundheit sowie sonstige Einschränkungen in der Lebensqualität aufzuklären. Davon umfasst sind auch die möglichen psychosozialen Folgen, insbesondere mögliche langfristige Risiken für die Lebensqualität oder die psychische Gesundheit.

Wie werden die Spenderinnen und Spender darüber hinaus geschützt?

Lebendorganspenderinnen und -spender sind eine besonders vulnerable Patientengruppe, die sich oftmals in einer für sie persönlich sehr schwierigen Konfliktlage befinden können. Daher soll den Spenderinnen und Spendern zusätzlich während des gesamten Spendeprozesses eine unabhängige Lebendspendebegleitperson zur Seite gestellt werden, an die sie jederzeit ihre Fragen und auch Zweifel richten können. Mit dem neuen § 10 Absatz 2 Satz 1 Nummer 8 TPG-E werden die Transplantationszentren verpflichtet, soweit sie Lebendorganspenden durchführen, mindestens eine Ärztin oder einen Arzt, eine Pflegefachperson oder eine in psychologischen oder psychotherapeutischen Fragen erfahrene Person als Lebendspendebegleitperson zu bestellen. Deren Aufgabe ist es, die Organlebendspenderinnen und -spender während des gesamten Prozesses von der ärztlichen Beurteilung der Eignung als Spenderin oder Spender bis zur Nachbehandlung im Transplantationszentrum zu begleiteten und unabhängig zu beraten.

Außerdem erhalten Spenderinnen und Spender eines Organs vor ihrer Entscheidung eine umfassende psychosoziale Beratung und Evaluation, um psychosoziale Belastungen rechtzeitig identifizieren zu können. Es wird daher eine verpflichtende umfassende psychosoziale Beratung und psychosoziale Evaluation der Spenderin oder des Spenders als Voraussetzung für die Lebendorganspende im Gesetz festgelegt.

Was passiert, wenn jemand eine Niere gespendet hat, im Lauf des Lebens dann selbst erkrankt und eine Niere braucht?

Zukünftig soll bei der Vermittlung von Nieren zugunsten einer Patientin und eines Patienten, die oder der zuvor eine Niere gespendet hat, dies im Verhältnis zu den anderen in der Warteliste aufgenommenen Patientinnen und Patienten angemessen berücksichtigt werden. Diese in allen anderen Ländern des Eurotransplantverbundes und vielen anderen Ländern gewährte besondere Berücksichtigung von Lebendnierenspenden als eine außerordentliche Leistung soll nunmehr auch bei der Vermittlung von Nieren in Deutschland möglich sein.

Was ändert sich bei der Kryokonservierung von Spermien bei Kindern und Jugendlichen?

Wenn Kinder oder Jugendliche sich im Falle einer Krebsbehandlung einer Chemo- oder Strahlentherapie unterziehen müssen, kann dabei die Fruchtbarkeit geschädigt werden. Sie können unter Umständen später keine Kinder zeugen. Um das zu verhindern, können vor der Behandlung Keimzellen (Eizelle bzw. Spermien) entnommen und eingefroren werden, die sogenannte Kryokonservierung. So können die Betroffenen später im Erwachsenenalter, trotz vorheriger Chemo- oder Strahlentherapie, eigene Kinder bekommen. Die Kostenübernahme für die Kryokonservierung durch die GKV wurde bereits 2019 eingeführt.

Für männliche Kinder und Jugendliche hat das Transplantationsgesetz bisher nicht unterschieden zwischen Gewinnung der Keimzellen und einer erst später geplanten Verwendung für den Zweck einer künstlichen Befruchtung. Mit dem Gesetzentwurf wird diese Lücke geschlossen. Eltern bzw. Betreuerin oder Betreuer sollen in die Entnahme von Keimzellen einwilligen dürfen, wenn ihr Kind eine Therapie bekommt, die die Fruchtbarkeit gefährden kann. Somit ist der Fertilitätserhalt und die Kostenübernahme der Kryokonservierung auch für diesen Personenkreis eröffnet.

Weitere Informationen

  • Chronik der Reform

    Alle Stationen und Entwürfe sowie Stellungnahmen zum 3. Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Novellierung der Regelungen zur Lebendorganspende – stehen in diesem Verzeichnis zum Download bereit.

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