Gestaltung des Wohn- und Lebensraums
Menschen mit Demenz fällt es zunehmend schwer, sich in ihrem alltäglichen Umfeld zu orientieren. Das Risiko wächst, dass sie sich und andere in Gefahr bringen. Deshalb ist es wichtig, die Lebensumstände – soweit möglich – an ihre Bedürfnisse anzupassen. Damit hilft man Menschen mit Demenz, sich noch lange in ihrer vertrauten Umgebung zurechtzufinden.
Orientierung bieten
Eine Demenzerkrankung schränkt die Fähigkeit der Betroffenen ein, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Vertraute Erinnerungsgegenstände und die gewohnte Ordnung helfen ihnen, sich zu orientieren, und vermitteln ein Gefühl von Sicherheit. Veränderungen in der Wohnung können hingegen als verwirrend und beängstigend erlebt werden. Deshalb gilt es zunächst abzuwägen, ob eine Änderung wirklich notwendig ist. Ist sie nicht zu vermeiden, sollte sie möglichst behutsam und schrittweise eingeführt werden. Ein Beispiel: Wenn ein neuer Herd angeschafft werden muss, empfiehlt es sich, ein möglichst ähnliches Modell zu kaufen, bei dem die Reihenfolge der Schaltknöpfe gleich bleibt und Form und Farbe übereinstimmen.
Der meist zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendige Umzug in die Wohnung der Angehörigen bedeutet für den Menschen mit Demenz oftmals einen Schock, da dies mit dem Verlust der gewohnten Umgebung einhergeht. Wird das neue Zimmer jedoch mit den eigenen Möbeln in der vertrauten Ordnung eingerichtet, erleichtert ihm dies, sich zu orientieren und heimisch zu fühlen.
Seitdem meine Mutter bei mir eingezogen ist, gelingt es ihr oft nicht, die Zimmertür zu ihrem neuen Schlafzimmer zu finden. Sie steht entweder regungslos mitten im Raum herum und wartet, bis sie jemand dahin bringt, oder läuft ziellos in der Wohnung herum und spricht mit sich selbst. Erst seitdem wir gemeinsam Bilder von ihr selber herausgesucht haben und sie dann an ihrer Schlafzimmertür angebracht haben, erkennt sie ihr neues Zimmer an diesen Bildern an der Tür und findet sich besser in unserer Wohnung zurecht.“
Orientierungshilfen
Sie können die räumliche Orientierung des Menschen mit Demenz erleichtern, indem Sie:
- den Wohnbereich einfach und übersichtlich gestalten
- die gewohnte Ordnung von Möbel- und Erinnerungsstücken auch nach einem Umzug beibehalten
- die Ordnung akzeptieren, in der sich die Betroffenen am besten zurechtfinden und die sie als angenehm empfinden auch wenn es für Sie wie Unordnung aussieht
- mögliche Reize im Raum reduzieren (so können etwa Teppichmuster von den Erkrankten als Hindernisse begriffen werden)
- Räume und Aufbewahrungsorte für persönliche Dinge kennzeichnen, etwa das Bild eines Kochtopfs an der Küchentür (Hinweisschilder zum Herunterladen und Ausdrucken)
- Kontrastfarben verwenden, um Geländer, Türen und elektrische Schalter hervorzuheben
- für eine helle und möglichst schattenfreie Beleuchtung sorgen
Sicherheit in der Wohnung
Es ist schwer zu sagen, welche Maßnahmen helfen, Unfälle zu vermeiden, und zugleich die Betroffenen darin unterstützen, so lange wie möglich selbstbestimmt zu eben. Vergesslichkeit, Wahrnehmungsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen erhöhen das Risiko einer Selbst- und Fremdgefährdung. Jedoch sollte die Würde des betroffenen Menschen im Mittelpunkt jeder Überlegung stehen.
Der berechtigte Wunsch, die betroffene Person zu schützen, kann leicht in Überwachen und Überbehüten umschlagen, was ihr die letzte Eigenständigkeit nimmt. Man sollte zudem mit bedenken, dass absolute Sicherheit unmöglich ist und ein Restrisiko – auch bei gesunden Menschen – immer ein Teil des Lebens bleibt. Gleichwohl ist es sinnvoll, die Wohnung der betroffenen Person auf Gefahrenquellen hin zu untersuchen. Zu vermeiden sind auch Spannungen und Unruhe in ihrem Leben, da diese die Unfallgefahr erhöhen.
Obwohl die Demenzerkrankung unserer Mutter bereits im fortgeschrittenen Stadium war, bestand sie darauf, weiterhin allein in ihrer eigenen Wohnung zu wohnen. Als ich eines Abends zu ihr nach Hause kam, stellte ich erschrocken fest, dass der Backofen voll aufgedreht war, meine Mutter aber bereits im Bett lag. Kurze Zeit später wiederholte sich diese beängstigende und gefährliche Situation. Meine Schwester entdeckte wieder den heißen Backofen, als sie bei unserer Mutter nach dem Rechten sehen wollte. Zuerst dachten wir, dass ‚Essen auf Rädern‘ die geeignete Lösung für das Problem sei. Da unsere Mutter aber unbedingt weiterhin selbst kochen wollte, fiel diese Option weg. Stattdessen entschieden wir uns dafür, eine Nachbarin zu bitten, jeden Abend die Sicherung des Herdes im Haus unserer Mutter heraus und am nächsten Morgen wieder hineinzudrehen.“
Unfälle vermeiden
- Installieren Sie Herdabschaltungsvorrichtungen: automatische Absperrventile, Zeitschaltuhren oder Gas- und Temperaturmelder.
- Markieren Sie Heißwasserhähne und stellen Sie gegebenenfalls die Temperatur des Wasserboilers niedriger ein.
- Bewahren Sie gegebenenfalls gefährliche Elektrogeräte wie Bügeleisen außerhalb der Reichweite der Erkrankten auf.
- Um Stürze zu vermeiden, entfernen Sie rutschende Teppiche oder Läufer und beseitigen Sie Stolperstellen wie aufgeworfene Teppichränder.
- Haltegriffe erhöhen die Sicherheit im Badezimmer. Beidseitige stabile Handläufe erleichtern das Treppensteigen.
- Fenster und niedrige Geländer sollten nach Möglichkeit gesichert werden. Installieren Sie nach sorgfältiger Abwägung eine Gittertür am oberen Ende von Treppen.
- Halten Sie Medikamente, Haushaltschemikalien und Tabakwaren unter Verschluss.
"Wandern" und "Verirren"
Viele Menschen mit Demenz zeigen vor allem im mittleren Stadium der Demenz einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Dieser Wandertrieb ist nach einem Umgebungswechsel meist besonders stark. Ein erhebliches Risiko besteht dann, wenn der Mensch mit Demenz auf seiner Suche nach Vertrautem das Haus verlässt und nicht wieder zurückfindet.
Ein paar Wochen nachdem Herr D. bei seiner Tochter eingezogen war, verließ er unbemerkt ihre Wohnung. Da er den Fahrstuhl nicht bedienen konnte, benutzte er das Nottreppenhaus, um seinen Weg nach draußen zu finden. Obwohl sein Verschwinden relativ schnell bemerkt worden war, dauerte es trotzdem mehrere Stunden, bis Herr D. wiedergefunden wurde. Schlussendlich hatte ein Kioskbesitzer die Polizei verständigt, bei dem Herr D. einen Großeinkauf tätigen wollte, den er weder nach Hause tragen noch bezahlen konnte.
Nicht alle „Irrgänge“ von Menschen mit Demenz laufen so glimpflich ab. So besteht nicht nur die Gefahr, dass sich die betroffene Person selbst verletzt, sondern auch, dass sie weitere Personen gefährdet.
Die Bewegungsfreiheit der betroffenen Person zu beschränken, ist aber nicht nur rechtlich problematisch, sondern kann sich auch negativ auf das Befinden auswirken. So kann der Mensch mit Demenz etwa die Begrenzung als unverständliche Strafe oder Bedrohung erleben und mit Wut und Panik reagieren. Deshalb sollten zunächst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ganz wichtig ist es, Menschen mit Demenz bei ihren „Wanderungen“ auf jeden Fall vom Autofahren abzuhalten, da das Unfallrisiko extrem hoch ist.
Irrgänge verhindern
- Beispiele für einfache Mittel gegen das unbemerkte Verlassen des Hauses:
- Anbringen von Klangspielen an der Tür, die anzeigen, dass die Tür geöffnet wird;
- Verwenden einer Fußmatte mit einem Signalgeber, der als Türglocke im Haus ertönt, wenn jemand die Matte betritt.
Wenn die betroffene Person dennoch unbemerkt die Wohnung verlässt, können folgende Maßnahmen beim schnellen Auffinden helfen:
- Informieren Sie Nachbarn und Geschäftsinhaber der Gegend über die Demenzerkrankung der Person.
- Lassen Sie die Person Armbänder oder Ketten tragen, aufdenen Ihre Telefonnummer steht. Auf die Angabe der Wohnanschrift sollte allerdings verzichtet werden, um einem möglichen Einbruch in die eigene Häuslichkeit vorzubeugen.
- Halten Sie mehrere aktuelle aussagekräftige Fotos der vermissten Person bereit (für Polizei, Nachbarschaft).
Weitere Informationen
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Ratgeber Demenz
Die Broschüre erläutert, wie Ihnen die Pflegestärkungsgesetze bei der Betreuung Ihres betroffenen Angehörigen helfen, welche Leistungen Sie in Anspruch nehmen und wie Sie Hilfe beim Helfen erhalten können.
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Hilfe bei der Sorge für sich selbst
Menschen mit Demenz verlieren nach und nach die Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen. Sie unterschätzen gefährliche Situationen und sind im Alltag zunehmend auf die Hilfe anderer angewiesen.
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Teilnahme am täglichen Leben
Die Demenz raubt den Betroffenen zunehmend die Möglichkeit, vertrauten Tätigkeiten nachzugehen und ihre Freizeit wie gewohnt zu gestalten. Pflegende Angehörige können dem Familienmitglied mit Demenz ermöglichen, weiterhin aktiv am Leben teilzunehmen.