Besser behandeln mit mehr Daten

Spahn spricht über die Chancen der Digitalisierung. Mehr Daten können Forschung und Behandlung verbessern. Der jüngste Hackerangriff sei kein Anlass diese Verbesserungen nicht weiter voranzutreiben. Lesen Sie hier Auszüge des Interviews mit BLICK.

Das Gesundheitsministerium ist ein rechteckiger Klotz in Berlin Mitte. Jens Spahn kommt direkt aus der Kabinettssitzung und entschuldigt sich für die wenigen Minuten Verspätung. Er bittet in sein Büro: geräumig, hoch – und kalt. Die Heizung ist kaputt, sie werde aber noch am selben Nachmittag repariert, versichert seine Assistentin.

BLICK: Hunderten deutschen Persönlichkeiten wurden persönliche Daten geklaut. Auch Ihnen?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Mir persönlich keine. Aber meine Handy-Nummer wurde bei Bekannten abgefischt und veröffentlicht.

Und jetzt werden Sie ständig angerufen?

Ich hatte viele Anrufe von Nummern, die ich nicht kenne. Aber da gehe ich ohnehin nicht dran. Deshalb hält sich der Schaden in Grenzen.

Ist es nicht peinlich, dass ein 20-Jähriger persönliche Daten von Dutzenden Prominenten stehlen kann?

Es handelt sich ja nicht um sehr geheime Daten. Sie wurden offenbar im Internet zusammengesucht, möglicherweise auch von Facebook-Accounts. Ich nehme das ernst, finde aber, dass gerade dieser Fall nicht dramatisiert werden sollte. Dass Passwörter wie «123456» geknackt werden, ist doch kein Beweis dafür, dass unsere staatlichen Sicherheitsstrukturen nicht funktionieren. Es sollte vielmehr für jeden Anlass sein, über die persönliche Absicherung seiner Daten nachzudenken. Viele verhalten sich im Netz so, als wenn sie ins Wochenende fahren, die Haustüre nicht abschließen und sich dann wundern, wenn bei der Rückkehr etwas fehlt.

Alles dreht sich um Daten: auch im Gesundheitswesen. Ist es zum Guten oder zum Schlechten, dass immer mehr Gesundheitsdaten gesammelt werden?

Mehrheitlich zum Guten. Je mehr Daten verfügbar sind, desto besser kann geforscht und behandelt werden. Zum Beispiel bei seltenen Erkrankungen: Da weiss ein Arzt in Bern per Mausklick, was seine Kollegen in Hamburg oder New York in einem ähnlich schwierigen Fall gemacht haben. In keiner Branche wird noch heute so viel gefaxt wie im Gesundheitswesen. Die Schweiz ist im Bereich der digitalen Patientenakte übrigens schon viel weiter als Deutschland.

Was, wenn Daten gestohlen und Krankenhäuser erpresst werden?

Es stimmt, 100 Prozent Sicherheit gibt es nicht. Aber die hat man auch heute nicht, zumal wenn Informationen per Fax ausgetauscht werden. Die Verschlüsselung der Daten ist entscheidend. Da müssen wir noch besser werden.

Dank Digitalisierung lassen sich einfacher individuelle Krankheitsbilder entdecken und individuell therapieren. Das ist teuer!

Nicht unbedingt. Denn die Medizin wird auch zielgenauer und effizienter. Wenn sich feststellen lässt, ob eine Therapie überhaupt anschlägt, bevor man 10.000 Euro für die Behandlung ausgibt, vermeidet dies Kosten.

Unter dem Strich steigen die Gesundheitskosten. Wie lässt sich das vermeiden?

In einer alternden Gesellschaft ist das nur schwer möglich. Dafür müssten wir das Versprechen aufgeben, die beste Medizin für alle zu bezahlen. Diese beste Medizin will sich unsere Gesellschaft aber leisten, und sie erhält auch einen hohen Gegenwert für ihr Geld. Das hat nicht jedes Land!

Am teuersten ist das letzte Lebensjahr. Wie viel darf die Verlängerung des Lebens kosten?

Das ist keine Frage von Kosten. Das ist vielmehr die Entscheidung jedes Einzelnen: Möchte ich wirklich in jeder Not- und Lebenslage, dass noch alle Maschinen angeworfen und alles medizinisch Mögliche an mir vorgenommen wird? Und wir sollten akzeptieren, dass Sterben auch zum Leben gehört. Heute wird das Thema Tod aus dem Leben verbannt. Organspende, Patientenverfügung, Pflege: Alles, was mit Sterben und Gebrechlichkeit zu tun hat, kommt gedanklich nicht vor.

Wie stehen Sie zum Tod?

Persönlich möchte ich am Lebensende nicht künstlich ernährt werden. Aber das muss jeder für sich entscheiden, am besten mit ­einer Patientenverfügung.

Die Schweizer Spitäler und Heime müssten schließen ohne deutsche Ärzte und Pflegerinnen ...

... ich hätte sie gerne zurück.


Ärgern Sie sich, dass Deutschland Fachleute für die Schweiz ausbildet?

Ärgern nicht. Ich kann sie ja verstehen. Die Schweiz ist ein schönes Land. Aber klar ist, dass diese Fachleute in Deutschland fehlen. Bei uns arbeiten dann polnische Ärzte, die wiederum in Polen fehlen. Das kann so nicht richtig sein. Deshalb sollten wir darüber nachdenken, ob wir die Abwerbung von Fachleuten aus bestimmten Berufsgruppen innerhalb der EU nicht neu regeln müssen. Und das, ohne die Freizügigkeit in Europa grundsätzlich infrage zu stellen. Entsprechende Abkommen gibt es bereits in der WHO. Das könnte Vorbild sein.

Sie könnten der Schweiz eine Rechnung für die Ausbildung der ausgewanderten deutschen Ärzte stellen.

Das gäbe eine schöne Überschrift für den SonntagsBlick. Aber nein: Das ist nicht mein Plan.

[...]

Das Interview führte Christian Dorer.

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