Finanzentwicklung der GKV im 1. Halbjahr 2025
Die 94 gesetzlichen Krankenkassen haben in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres einen Überschuss in Höhe von 2,8 Milliarden Euro erzielt.
Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Ende des 1. Halbjahres rund 4,6 Milliarden Euro. Dies entspricht 0,16 Monatsausgaben und liegt damit weiterhin unterhalb der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve in Höhe von 0,2 Monatsausgaben. Die Überschüsse der Krankenkassen dienen damit vorrangig der Auffüllung ihrer Finanzreserven auf das gesetzliche Mindestniveau.
Die gesetzliche Krankenversicherung steht finanziell massiv unter Druck. Die Ausgaben wachsen weiterhin deutlich stärker als die Einnahmen. Auch im ersten Halbjahr 2025 steigen die Ausgaben in nahezu allen Bereichen ungebrochen dynamisch an. Der Überschuss der Krankenkassen sollte nicht falsch interpretiert werden. Er ist nur eine Momentaufnahme und dient lediglich zur Auffüllung der sehr niedrigen Finanzreserven auf das gesetzlich geforderte Mindestniveau. Bereits 2026 dürften die Beitragssätze wieder unter Druck geraten. Der Handlungsbedarf ist klar: Wir brauchen kurzfristige Maßnahmen und langfristig wirkende Strukturreformen. Kurzfristig entlasten wir die GKV mit zusätzlichen Darlehen und der Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds aus Steuermitteln. Zudem werden wir zeitnah eine Expertenkommission einsetzen, die bereits im Frühjahr 2026 erste Vorschläge zur Stabilisierung der Beitragssätze vorlegen soll. Parallel werden wir weitere Strukturreformen auf den Weg bringen: mit der Anpassung der Krankenhausreform sind wir weit fortgeschritten, die Reform des Notfall- und Rettungsdienstes und die Einführung eines Primärarztsystems werden weitere wichtige Maßnahmen sein, um die Effizienz des Systems zu steigern und die Weichen für eine langfristige Stabilisierung der GKV-Finanzen zu stellen.
Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 176,8 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 174,0 Milliarden Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,1 Prozent einen Zuwachs von 7,8 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz entsprach Ende Juni 2,92 Prozent und lag damit deutlich oberhalb des Ende Oktober 2024 für das Jahr 2025 bekanntgegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 2,5 Prozent. Viele Krankenkassen sind gezwungen, einen höheren Zusatzbeitragssatz zu erheben, als zur Deckung der laufenden Ausgaben nötig wäre, um so ihre im vergangenen Jahr aufgrund der unerwartet hohen Ausgabendynamik stark gesunkenen Finanzreserven auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestniveau aufzufüllen.
Unterschiedliche Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten
Die Ersatzkassen erzielten einen Überschuss von 1,1 Milliarden Euro, die Ortskrankenkassen von 656 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen von 473 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen von 305 Millionen Euro und die Knappschaft in Höhe von 264 Millionen Euro. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte einen Überschuss von 8 Millionen Euro.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2025 über eine Liquiditätsreserve von rund 5,7 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. Halbjahr 2025 ein buchhalterisches Defizit von 5,8 Milliarden Euro. Der größere Teil dieses Defizits ist saisonüblich: So fließen die Ausgaben des Gesundheitsfonds als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken und insbesondere im 4. Quartal aufgrund der Verbeitragung von Jahressonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld höher ausfallen.
Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,5 Prozent. Verantwortlich für die gute Einnahmenentwicklung im 1. Halbjahr sind insbesondere die deutlich gestiegenen beitragspflichtigen Löhne und Gehälter. Zwischen Ende 2022 und Ende 2024 konnten Arbeitgeber ihren Beschäftigten steuer- und beitragsfreie Inflationsausgleichsprämien gewähren, die nun vielfach durch höhere reguläre – und damit beitragspflichtige – Lohnsteigerungen abgelöst werden.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken zur Stabilisierung der GKV-Finanzen
Klicken Sie auf den Button, um den Inhalt nachzuladen.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Krankenkassen verzeichneten im 1. Halbjahr 2025 einen weiterhin sehr dynamischen Anstieg der Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,8 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 8,0 Prozent und damit ähnlich stark wie im Jahr 2024 und weiterhin deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Die Verwaltungskosten stiegen um 5,2 Prozent. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben der Krankenkassen in den ersten sechs Monaten des Jahres um 12,2 Milliarden Euro und die Verwaltungskosten um 327 Millionen Euro.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind im 1. Halbjahr um 9,6 Prozent bzw. 4,8 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit den maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Ursächlich sind vor allem hohe Vergütungssteigerungen sowie die Refinanzierung bisher nicht abgebildeter Tarifkostensteigerungen aus dem Jahr 2024. Zudem tragen die stark steigenden Aufwendungen für psychiatrische Behandlungen (+12,9 Prozent bzw. 639 Millionen Euro) und die im IST-Kosten-Ausgleich finanzierten Pflegepersonalkosten (+15,2 Prozent bzw. 1,6 Milliarden) zum starken Ausgabenanstieg im Krankenhausbereich bei. Diese beiden Teilbereiche wachsen nochmals dynamischer als im Vorjahr, in dem bereits ein hohes Wachstum der Pflegepersonalkosten (+11,7 Prozent) und der Aufwendungen für psychiatrische Behandlungen (+9,1 Prozent) verzeichnet wurde. Die restlichen Aufwendungen (insbesondere stationäre somatische Behandlungen und ambulante Operationen) wachsen um +7,4 Prozent bzw. +2,5 Milliarden Euro.
Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln stiegen um 6,0 Prozent bzw. 1,6 Milliarden Euro und bleiben damit gegenüber dem ersten Quartal nahezu unverändert. Innerhalb der Arzneimittel verzeichnen die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung deutlich überdurchschnittliche Zuwächse (+29,7 Prozent bzw. + 397 Millionen Euro). Auch die Arzneimittelausgaben steigen damit stärker als im Mittel der vergangenen zehn Jahre.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. Halbjahr um 7,8 Prozent bzw. 2,0 Milliarden Euro gestiegen. Bezogen auf das jeweils erste Halbjahr stellt dies das stärkste Wachstum seit über 10 Jahren dar. Der Ausgabenzuwachs hat sich gegenüber dem ersten Quartal 2025 (+7,0 Prozent) und dem Gesamtjahr 2024 (+6,7 Prozent) nochmals deutlich beschleunigt. Für die weiterhin hohe Rate ist unter anderem entscheidend, dass für den bundeseinheitlichen Orientierungspunktwert wie bereits für 2024 ein gegenüber dem langjährigen Durchschnitt höherer Anstieg um +3,85 Prozent vereinbart wurde. Zur hohen Dynamik tragen auch die kräftig steigenden Ausgaben für das ambulante Operieren (+19,5 Prozent bzw. 250 Mio. Euro) bei. Ursache sind vor allem die 2024 eingeführten Eingriffe mit spezieller sektorengleicher Vergütung (Hybrid-DRGs), die u.a. zu einer Ambulantisierung bisher häufig stationär durchgeführter Behandlungen führen. Die Aufwendungen für diese neuen Leistungen betrugen im ersten Halbjahr rund 190 Millionen Euro. Zusätzlich verzeichnen im zweiten Quartal insbesondere die Aufwendungen für extrabudgetäre psychotherapeutische Leistungen (+11,8 Prozent im zweiten Quartal, +8,7 Prozent bzw. +158 Millionen im ersten Halbjahr) eine beschleunigte Ausgabendynamik. Auch die Aufwendungen für spezielle Versorgungsformen (Behandlung in Hochschulambulanzen, ambulante spezialfachärztliche Versorgung, integrierte Versorgung, spezialisierte ambulante Palliativversorgung und Versorgung in Selektiverträgen) zeigen mit +13,5 Prozent bzw. +442 Millionen Euro weiterhin ein überdurchschnittliches Wachstum. Bei der Interpretation der Aufwüchse ist zu berücksichtigen, dass die Buchungen im ärztlichen Bereich im ersten Halbjahr stets auch von Schätzungen geprägt sind, da insbesondere für das zweite Quartal Abrechnungsdaten nur in sehr geringem Umfang vorliegen.
Ein stark überdurchschnittliches Wachstum von +12,7 Prozent (bzw. +654 Millionen Euro) verzeichnet der Bereich medizinischen Behandlungspflege, der bereits 2024 (+11,8 Prozent) und 2023 (+12,9 Prozent) stark überdurchschnittliche Aufwüchse verzeichnete.
Stark gestiegen sind auch die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen mit einem Plus von 15,8 Prozent bzw. 230 Millionen Euro, welches vor allem durch die hohen Aufwüchse bei den Impfstoffen für Schutzimpfungen als GKV-Regelleistungen (+18,4 Prozent bzw. 212 Millionen Euro) bedingt ist und in Verbindung mit neuartigen RSV-Impfungen stehen dürfte. Die Ausgaben für Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, die nach den pandemiebedingten Einbrüchen des Jahres 2020 im Schnitt um rund 10,5 Prozent pro Jahr wuchsen, entwickelten sich im ersten Halbjahr mit einer Steigerung von 10,8 Prozent bzw. 251 Millionen Euro ungebrochen dynamisch fort. Auch die Aufwendungen für Behandlungen durch Heilmittelerbringer, welche nach pandemiebedingten Rückgängen des Jahres 2020 jedes Jahr um durchschnittlich 10,6 Prozent bzw. um insgesamt 4,4 Milliarden Euro gestiegen sind, verzeichnen im 1. Halbjahr 2025 mit +8,9 Prozent bzw. +585 Millionen Euro erneut eine sehr dynamische Entwicklung. Bemerkenswert ist dabei die Entwicklung der Aufwendungen für Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung der Heilmittelerbringer (sog. „Blankoverordnung“), für die im ersten Halbjahr 2025 Aufwendungen von 150 Millionen Euro in der Physiotherapie und 137 Millionen Euro in der Ergotherapie verzeichnet wurden.
Weitere Entwicklung
Der GKV-Schätzerkreis wird die Versichertenentwicklung, die Ausgaben und die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung für das laufende und das kommende Jahr Mitte Oktober prognostizieren. Das BMG wird daraufhin bis zum 1. November unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Schätzerkreises den durchschnittlichen ausgabendeckenden Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2026 bekannt geben.
Die Finanzergebnisse für das 1.-3. Quartal 2025 werden Ende November vorliegen.