Gröhe: "Finanz-Reserven im Sinne der Versicherten nutzen"

Ergebnisse der GKV im 1. Quartal 2014 zeigen: Finanzlage der Krankenkassen weiterhin im Lot

19. Juni 2014

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im 1. Quartal 2014 Prämien in Höhe von 236 Millionen Euro an ihre Versicherten ausgezahlt. Zudem kamen den Versicherten zusätzliche freiwillige Satzungsleistungen in Höhe von 55 Millionen Euro zu Gute. Damit haben einzelne Kassen begonnen, ihre Versicherten an den hohen Finanz-Reserven von 16,8 Milliarden Euro teilhaben zu lassen. Ohne diese Sonderfaktoren ergäbe sich für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im 1. Quartal 2014 kein Ausgabenüberschuss sondern sogar ein Einnahmenüberschuss. Das zeigen die vorläufigen Finanzergebnisse der Krankenkassen des 1. Quartals 2014. Die Krankenkassen erhalten auch für 2014 vom Gesundheitsfonds genügend Finanzmittel, um ihre Ausgaben zu 100 Prozent zu decken.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: "Die Zahlen zeigen, dass die finanziellen Spielräume der Kassen viel höher sind als vielfach behauptet wird. Die Kassen tun gut daran, ihre hohen Finanz-Reserven und ihre neuen Beitrags-Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der Versicherten zu nutzen."

Einnahmen in Höhe von rund 50,7 Milliarden Euro standen im ersten Quartal Ausgaben von rund 51 Milliarden Euro gegenüber. Die Differenz von rund 270 Millionen Euro ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten durch Prämienauszahlungen und zusätzliche freiwillige Satzungsleistungen (z.B. professionelle Zahnreinigung) an den hohen Finanzrücklagen beteiligt haben. Im 1. Quartal 2014 wurden von den Krankenkassen zudem insgesamt um 120 Millionen Euro höhere Verpflichtungsbuchungen als Forderungsbuchungen im Risikostrukturausgleich vorgenommen.

Die mittlerweile vorliegenden endgültigen Jahresrechnungsergebnisse des Jahres 2013 haben ergeben, dass der Überschuss der Krankenkassen mit 1,36 Mrd. Euro noch um rund 180 Millionen Euro höher ausgefallen ist als das in den vorläufigen Finanzergebnissen ausgewiesene Plus von 1,18 Milliarden Euro. Die Finanzrücklagen der gesetzlichen Krankenkassen sind zum Jahresende 2013 damit auf 16,8 Milliarden Euro angewachsen.

Durch die Prämienauszahlungen haben einzelne Kassen die Möglichkeit genutzt, ihre Versicherten an ihren hohen Finanz-Reserven teilhaben zu lassen. Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FQWG), das zum 1.1.2015 in Kraft treten soll, erhalten die Kassen mehr Spielräume, ihren Finanz-Reserven über neue Beitrags-Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der Versicherten zu nutzen.

Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten unterschiedlich

Bei einer differenzierten Betrachtung nach Kassenarten zeigt sich eine unterschiedliche Entwicklung: So erzielten die AOKen und die Knappschaft-Bahn-See Überschüsse von rd. 149 bzw. 62 Millionen Euro. Bei den Ersatzkassen überstiegen hingegen die Ausgaben die Einnahmen um rd. 317 Millionen Euro; bei den Betriebskrankenkassen um 128 Millionen Euro und bei den Innungskrankenkassen um 29 Millionen Euro. In diesen Werten sind Forderungen und Verpflichtungen, die sich durch die mit dem GKV-FQWG vorgesehenen Änderungen und aus der Rechtsprechung zum Risikostrukturausgleich im Jahr 2014 ergeben, anteilsmäßig bereits berücksichtigt. Bei der unterschiedlichen Finanzentwicklung ist zu beachten, dass die Krankenkassen, die Prämien an ihre Mitglieder gezahlt haben, den Krankenkassenarten angehören, bei denen sich jetzt in der Summe Ausgabenüberhänge ergaben. Dies erklärt einen erheblichen Teil der dort ausgewiesenen Defizite.

Saisonbedingtes Defizit beim Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds verzeichnete im 1. Quartal 2014 lediglich ein saisonübliches Defizit von 2,4 Mrd. Euro. Dieses Defizit fällt im Vergleich zum 1. Quartal des Vorjahres (rd. 1,8 Mrd. Euro) insbesondere deshalb höher aus, weil es die im Haushaltsbegleitgesetz 2014 enthaltene vorübergehende Reduzierung des Bundeszuschusses von 14 auf 10,5 Mrd. Euro berücksichtigt (Vorjahr 11,5 Mrd. Euro) unter gleichzeitiger kompensatorischer Mittelentnahme aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Das saisonübliche Defizit ist darüber hinaus maßgeblich auf die Auszahlungssystematik des Gesundheitsfonds zurückzuführen. Die Ausgaben des Gesundheitsfonds in Form von Zuweisungen fließen in monatlich gleichen Teilbeträgen (16,6 Mrd. Euro) an die Krankenkassen. Die Beitragseinnahmen des Gesundheitsfonds unterliegen dagegen saisonalen Schwankungen.

Bei der Festlegung der monatlichen Zuweisungen sind die Mehrausgaben, die den Krankenkassen durch die Abschaffung der Praxisgebühr auch in 2014 entstehen,  sowie gesetzlich induzierte Mehrausgaben für Krankenhäuser in einer Größenordnung von rd. 0,5 Mrd. Euro entsprechend berücksichtigt worden. Sie können ebenso wie die Absenkung des Bundeszuschusses durch eine Entnahme aus der Liquiditätsreserve, deren Höhe zum Jahresende 2013 rd. 13,6 Mrd. Euro betrug, gedeckt werden. Durch die weiterhin günstige Entwicklung der Beitragseinnahmen wird allerdings nur ein  Teil des potenziellen Entnahmebetrages von rd. 5,8 Mrd. Euro im Jahr 2014 auch tatsächlich benötigt. Die Einnahmesituation des Gesundheitsfonds wird sich im weiteren Jahresverlauf deutlich verbessern. Gründe dafür sind beitragspflichtige Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld, höhere Tarifabschlüsse sowie höhere Renten zum 1. Juli 2014, wobei auch die rentenrechtlichen Verbesserungen im Bereich der Mütterrenten zu Mehreinnahmen der in der GKV führen.

Es lässt sich festhalten, dass die GKV zehn Jahre nach dem Rekord-Schuldenstand in Höhe von damals 8,3 Mrd. Euro (Anfang 2004) zum Jahresanfang 2014 auf einem sehr soliden finanziellen Fundament steht. Gesundheitsfonds und Krankenkassen verfügen rechnerisch am Ende des 1. Quartals 2014 insgesamt über Finanzreserven in einer Größenordnung von rd. 27,7 Mrd. Euro, davon rd. 16,5 Mrd. Euro bei den Krankenkassen und rd. 11,2 Mrd. Euro beim Gesundheitsfonds.

Ausgabenzuwächse bei 5,3 Prozent

Je Versicherten gab es im 1. Quartal 2014 einen Ausgabenzuwachs von 5,3 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen um 5,5 Prozent je Versicherten; die Verwaltungskosten um rd. 2,1 Prozent. Dabei ist im 1. Quartal zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen in hohem Maße von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht vorliegen.

Zu den Ausgabenzuwächsen haben in den ersten drei Monaten vor allem überproportionale Steigerungen bei Arzneimitteln und Hilfsmitteln sowie im Kassenartenvergleich deutlich höhere Veränderungsraten bei den Innungskrankenkassen beigetragen.

Entwicklungen in den einzelnen Leistungsbereichen

In den Monaten Januar bis März 2014 sind die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen  nach drei Jahren mit sehr moderaten Zuwächsen um 8,4 Prozent gestiegen. Dieser Zuwachs dürfte zu einem erheblichen Teil auf das Auslaufen des auf drei Jahre befristeten erhöhten Herstellerrabatts für patentgeschützte Arzneimittel von 16 Prozent zurückzuführen sein. Zum Jahresbeginn hat die Bundesregierung jedoch bereits wesentliche ausgabenbegrenzende Regelungen umgesetzt. Das Preismoratorium wurde bis Ende 2017 nahtlos verlängert. Mit Wirkung zum 1. April 2014 wurde der bereits bestehende Herstellerabschlag von 6 Prozent auf 7 Prozent angehoben. Der geringere Zuwachs von 5,8 Prozent, den die neuesten monatlichen Daten der Apothekenrechenzentren für den GKV-Arzneimittelumsatz im April ausweisen, könnte auch mit dieser Regelung zu tun haben.

Im Arzneimittelbereich verzeichneten die Krankenkassen durch die Rabatt-Vereinbarungen mit pharmazeutischen Unternehmen weitere Entlastungen. Im Vergleich zum 1. Quartal 2013 konnten die Einsparungen durch vertraglich vereinbarte Rabatte von rd. 570 Mio. Euro um rd. 130 Mio. Euro auf 700 Mio. Euro erhöht werden.

Im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung stiegen die Ausgaben um 3,8 Prozent, bei den Ausgaben für zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz um 3,6 bzw. 2,9 Prozent. Da für das 1. Quartal in diesen Leistungsbereichen noch keine Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen bei den Krankenkassen vorliegen, haben die ausgewiesenen Veränderungsraten jedoch ausschließlich Schätzcharakter und lassen nur begrenzte Schlüsse auf die Ausgabenentwicklung im Gesamtjahr zu.

Die Ausgaben für Krankenhausbehandlung stiegen je Versicherten um 5,1 Prozent. Dieser überproportionale Zuwachs ist zu einem Teil auf die vom Gesetzgeber im Laufe des vergangenen Jahres eingeführten Verbesserungen der Finanzgrundlagen der Krankenhäuser zurückzuführen, die ab August 2013 finanzwirksam wurden und zu erhöhten Ausgaben der Krankenkassen für den größten Leistungsbereich der GKV beigetragen haben. Insgesamt erhielten die Krankenhäuser hierdurch allein von den gesetzlichen Krankenkassen in den Monaten Januar bis März 2014 um rd. 0,9 Mrd. Euro höhere Finanzmittel  als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Der Zuwachs des 1. Quartals dürfte sich allerdings im Jahresverlauf abflachen, da die gesetzlich veranlassten Mehrausgaben ab August 2014 nicht mehr vollständig zu höheren Ausgaben gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum führen. Zudem war  die Ausgangsbasis des 1. Quartals 2013 mit einem Zuwachs von lediglich 2,3 Prozent, der sich im weiteren Jahresverlauf 2013 auf ca. 4 Prozent erhöhte, ausgesprochen niedrig. Auch dieser statistische Basiseffekt dürfte zu einer geringeren Steigerungsrate im weiteren Jahresverlauf beitragen.

Beim Krankengeld hat sich nach mehreren Jahren mit hohen oftmals zweistelligen Zuwächsen der Anstieg mit einem Plus von 6,6 Prozent auf hohem Niveau der Vorjahre nur etwas  verlangsamt. Als maßgebliche Ursachen für diesen Anstieg beim Krankengeld sind weiterhin eine Zunahme der Krankengeldbezieher in höheren Altersgruppen bei steigendem Renteneintrittsalter sowie der Anstieg von lang andauernden psychischen Erkrankungen zu nennen. Hier sind nicht zuletzt die Unternehmen und die Krankenkassen gemeinsam gefordert, diesem Trend im Rahmen einer verstärkten betrieblichen Gesundheitsförderung entgegen zu wirken. Mit den maßgeblichen Faktoren der Ausgabenentwicklung beim Krankengeld und den Steuerungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen und den Gesetzgeber soll sich auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem nächsten Gutachten befassen. Hierzu wird das Expertengremium demnächst vom Bundesministerium für Gesundheit den Auftrag für ein Sondergutachten erhalten.

Zweistellige Zuwachsraten wiesen im 1. Quartal erstmalig die Ausgaben für Hilfsmittel aus, die um 10,7 Prozent stiegen. Dieser Zuwachs ist maßgeblich auf Verbesserungen im Bereich der Hörgeräteversorgung zurückzuführen, in dem die Krankenkassen die Festbeträge für Hörhilfen bei hochgradig schwerhörigen Personen in Folge eines Urteils des Bundessozialgerichts annähernd verdoppelt haben. Die Ausgaben in dem Leistungssegment der Hörgeräteversorgung sind demzufolge um rd. 55 Prozent gestiegen.  

Positiv zu bewerten ist die Entwicklung im Bereich der Mütter-Väter-Kind-Maßnahmen. In diesem Leistungsbereich gab es nach in der Vergangenheit deutlichen Ausgaben-Rückgängen in den Jahren 2009 bis 2011, dann aber jeweils zweistelligen Zuwächsen von rd. 15 Prozent in 2012 und rd. 11 Prozent in 2013, auch im 1. Quartal 2014 ein Plus von rd. 4 Prozent. Die Bemühungen der Bundesregierung, in Kooperation mit den Krankenkassen und den Einrichtungen zu einer verbesserten Bewilligungspraxis und einer Verstetigung des Leistungsgeschehens zu kommen, waren somit erfolgreich. Erfreulich sind auch die Zuwächse von rd. 31 Prozent bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung und den Zuschüssen der Krankenkassen für ambulante und stationäre Hospize zu bewerten, bei denen die Ausgaben um rd. 18 Prozent bzw. 13 Prozent angestiegen sind.

Die Netto-Verwaltungskosten der Krankenkassen, sind im 1. Quartal 2014 mit + 2,1 Prozent je Versicherten weiterhin moderat gestiegen. Rückläufige Verwaltungskosten bei den Ersatzkassen von minus 3 Prozent zeigen, dass Krankenkassen mit bislang deutlich überproportionalen Verwaltungskosten durch Einsparungen versuchen, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern.

Weitere Perspektive

Auch im Jahr 2014 werden die Zuweisungen mit einem zugesicherten Volumen von 199,6 Mrd. Euro, die die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, ausreichen, um die voraussichtlichen zuweisungsrelevanten Ausgaben zu decken. Das schließt nicht aus, dass Krankenkassen etwa durch die Gewährung von Prämien oder freiwillige zusätzliche Satzungsleistungen ihre laufenden Ausgaben nicht nur durch die Einnahmen des laufenden Jahres decken, sondern auf Rücklagen, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden, zurückgreifen. Die Krankenkassen werden auch in 2014, dem letzten Jahr, in dem das bisherige Finanzierungssystem noch gilt, die notwendige finanzielle Stabilität haben, um ohne Zusatzbeiträge ihrer Mitglieder auszukommen. Das Abschmelzen von Finanzreserven bei den Krankenkassen, die hohe Reserven besitzen, ist politisch gewollt und im Interesse der Versicherten. Aus dem daraus resultierenden Defizit ein dramatisches Szenario für die gesamte GKV zu konstruieren – so wie in den letzten Tagen insbesondere vom GKV-Spitzenverband vorgetragen –, blendet völlig aus, dass die Krankenkassen insgesamt Zuweisungen für 2014 erhalten, die die GKV-Ausgaben zu 100 Prozent decken werden.

Mit dem bereits am 5. Juni vom Bundestag in 2. und 3. Lesung beschlossenen Gesetz zur Stärkung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung wird allen Beteiligten die Gelegenheit gegeben, sich  rechtzeitig auf das neue Finanzierungssystem einzustellen. Mit dem Gesetz, das am 11. Juli 2014 im Bundesrat beraten wird, werden die Rahmenbedingungen für einen fairen Preis- und Qualitätswettbewerb gestärkt. Es liegt im Interesse der Krankenkassen, sich um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu bemühen und die Höhe der Zusatzbeiträge durch eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel gering zu halten.

Konkretere Prognosen zur Finanzentwicklung der GKV im laufenden und im Folgejahr wird Mitte Oktober der gemeinsame Schätzerkreis von Bundesversicherungsamt, Bundesministerium für Gesundheit und GKV-Spitzenverband vornehmen. Unter Berücksichtigung der Finanzergebnisse des 1. Halbjahres 2014 sowie der aktuellsten Eckwerte zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird dann eine Aktualisierung der Prognose für 2014 und eine erstmalige Prognose für 2015 erfolgen.

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