Warken: "Gesundheit ist uns nicht nur viel wert, wir lassen uns diese Gesundheit auch etwas kosten."
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken spricht im Bundestag zur 1. Lesung des Bundeshaushalts 2026 - Einzelplan 15 (Gesundheit).
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Bundesgesundheitsministerin Nina Warken:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir debattieren heute den Gesundheitsetat des Haushalts 2026. Dabei geht es um viel. Denn Gesundheit ist uns nicht nur viel wert, wir lassen uns diese Gesundheit auch etwas kosten. Das Statistische Bundesamt hat vor wenigen Wochen die Zahlen für das vorletzte Jahr veröffentlicht. Demnach liegen die Gesundheitsausgaben bei rund 6 000 Euro pro Kopf. Sie haben sich damit in 20 Jahren mehr als verdoppelt. Aber: Wir haben auch nicht mehr die gleiche Versorgung wie vor 20 Jahren. Der medizinische Fortschritt ist seither immens. Therapiemöglichkeiten etwa in der Krebsmedizin sind heute in vielen Bereichen erfolgversprechender. Das ist gesundheitlicher Fortschritt, und es ist richtig, dass die Menschen in unserem Land daran teilhaben.
Auch die Löhne der Beschäftigten, etwa in der Pflege, sind in den letzten 20 Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Und auch das ist eine richtige Entwicklung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir die wachsenden Gesundheitsausgaben ins Verhältnis setzen zum allgemeinen durchschnittlichen Bruttoverdienst, stellen wir fest: Dieser ist im gleichen Zeitraum nur um rund 60 Prozent gestiegen, im Gegensatz zu über 100 Prozent Steigerung bei den Gesundheitsausgaben. Das spüren die Bürgerinnen und Bürger, und damit kommen wir zur Kehrseite der Medaille. Schon fast zur Routine geworden ist der Brief zum Jahreswechsel, wenn die Krankenversicherung eine Beitragserhöhung ankündigt. Das belastet nicht nur die privaten Haushalte zusätzlich, sondern auch die Arbeitgeber. Wir haben uns daher vorgenommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Spirale endlich zu durchbrechen.
Unsere verlässliche Gesundheitsversorgung in Deutschland ist ein Standortvorteil. Aber wir müssen aufpassen, dass die steigenden Lohnnebenkosten nicht zum Standortnachteil werden.
Die Arbeitsstunde in Deutschland wird auch durch die Lohnnebenkosten immer teurer; und das kann so nicht weitergehen. Es muss uns ebenso zu denken geben, dass unsere Gesundheitsausgaben höher sind als in jedem anderen Land der Europäischen Union, ohne damit bessere Ergebnisse bei der Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen. Das heißt für uns: Einnahmen und Ausgaben müssen wieder in ein besseres Verhältnis zueinander gebracht werden. Das System benötigt eine neue Balance.
Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, arbeiten wir seit einigen Monaten: erstens, indem wir Kommissionen für Kranken- und Pflegeversicherung berufen haben, um die Systeme auf den Prüfstand zu stellen und Vorschläge zügig und ohne Denkverbote zu erarbeiten, zweitens, indem wir wichtige und notwendige strukturelle Reformen anpacken. Für beides, für die finanzielle Ausstattung von GKV und SPV und ebenso für die Strukturreformen brauchen wir die Zusammenarbeit in der Regierung und die Unterstützung des Parlaments, liebe Kolleginnen und Kollegen.
In der Bundesregierung sind wir dazu in gutem Austausch. Wir werden anhand des Bedarfs - die Zahlen liegen im Herbst vor - Lösungen finden. Gleichzeitig ist es mir sehr wichtig, dass wir auch mit dem Parlament in einem engen Austausch sind; denn die vor uns liegenden Aufgaben können wir nur gemeinsam bewältigen.
Aber was ist zu tun? Ein wichtiger Ansatz, für den wir gemeinsam praktikable Lösungen finden wollen, ist die bessere Patientensteuerung. Die Zahl der Arzt-Patienten-Kontakte in Deutschland ist hoch, ohne dass wir dadurch gesünder wären oder länger lebten als Menschen in benachbarten Ländern. Auf der anderen Seite schildern immer mehr Patientinnen und Patienten, dass sie lange auf einen Facharzttermin warten müssen. Unser Auftrag ist es, die Struktur so zu verändern, dass die Menschen weniger und dafür zielgerichteter Arztpraxen aufsuchen.
Wir dürfen aus meiner Sicht aber nicht den Eindruck erwecken, als wären die Menschen, die einen Arzt konsultieren wollen, das Problem. Unsere Strukturen machen es eben nicht immer leicht, sofort an die richtige Stelle im System zu gelangen. Hinzu kommt, dass der Informationsfluss zwischen den einzelnen Behandlern oft zäh ist. Wenn die eine Hand nicht weiß, was eine andere vielleicht schon getan hat, dann werden Extrarunden gedreht, für die uns Ressourcen fehlen - personell und finanziell.
Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass die Patientinnen und Patienten ab dem 1. Oktober einen Anspruch darauf haben, ihre elektronische Patientenakte befüllen zu lassen. Ich möchte alle bitten, davon regen Gebrauch zu machen. Nutzen Sie die ePA! Wir sollten sie jetzt schnell zu unserem persönlichen Gesundheitshelfer werden lassen.
Indem wir sie mit Informationen ausstatten, vermeiden wir unnötige Doppeluntersuchungen, die Zeit und Geld kosten. Und wenn Informationen, zum Beispiel über eingenommene Medikamente, schnell abrufbar sind, dient das unmittelbar der Patientensicherheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben konkrete Vorhaben, mit denen wir den Patienten helfen, in die passende Versorgungsebene zu gelangen. Ich nenne vier Beispiele.
Erstens wird die umstrukturierte Krankenhauslandschaft einen Beitrag zur Patientensteuerung leisten. Dafür werden wir die begonnene Krankenhausreform umsetzen und zugleich praxistauglicher machen. Wir brauchen mehr Spezialisierung bei besserer Qualität. Aber neben besserer Aufgabenteilung braucht es auch eine flächendeckende medizinische Grund- und Notfallversorgung. Gerade Ältere, die auf dem Land wohnen und nicht mehr so mobil sind, haben Sorge, dass die Anfahrtswege zu lang werden.
Wenn in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ob das örtliche Krankenhaus Bestand hat, dann löst das verständlicherweise Ängste aus. Das können wir, glaube ich, alle gut nachvollziehen. Deswegen geht es auch darum, Patientinnen und Patienten in diesem Veränderungsprozess mitzunehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Denn es ist eine Tatsache, dass auch weite Wege, etwa zu einer spezialisierten Klinik für eine komplexe Operation, am Ende der Patientensicherheit dienen. Dabei machen wir gleichzeitig klar: Basisversorgung wird weiterhin auf kurzem Wege erreichbar sein.
Deshalb werden wir zweitens den Notfall- und Rettungsdienst neu aufstellen und digital vernetzen. Auch hier geht es darum, besser zu steuern: Wer benötigt Soforthilfe? Wer hat ein weniger akutes Problem und ist vielleicht besser beim Facharzt aufgehoben?
Schließlich planen wir drittens die Einführung eines Primärversorgungssystems. Wir wollen damit die heute schon bedeutende Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte als erste Anlaufstelle und zentrale Ansprechpartner für die gesundheitlichen Probleme der Patientinnen und Patienten weiter stärken. Darin sehen wir viel Potenzial, etwa schnellere fachärztliche Versorgung durch kürzere Wartezeiten oder das Vermeiden unkoordinierter Facharztbesuche und letztlich wirkungsloser Doppeluntersuchungen. Wir werden mit den Praktikern mögliche Vorschläge sorgfältig durchdenken. Wir möchten auf keinen Fall unnötigen Flaschenhals schaffen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns da eine echte Verbesserung gelingt.
Eine bedeutende Rolle werden viertens auch die Apotheken spielen. Deshalb haben wir vor wenigen Tagen den Fahrplan für die Apothekenreform vorgelegt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich noch auf ein Thema zu sprechen kommen, das im Haushalt 2026 neu ist. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass wir der Frauengesundheit verstärkte Aufmerksamkeit widmen wollen.
Das tun wir, und wir werden dafür auch neue Förderrichtlinien veröffentlichen. Frauengesundheit ist kein Nischenthema, sondern geht die ganze Gesellschaft an.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die weiteren Beratungen im parlamentarischen Verfahren und bitte auch um Ihre Unterstützung, um für die Versorgung der Menschen das Bestmögliche zu erreichen.
Herzlichen Dank.