Lauterbach: Transparenz ist der erste Baustein der Krankenhausreform.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Bundestag zur 1. Lesung des Krankenhaustransparenzgesetzes

21. September 2023

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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal: Gestern ist bundesweit für den Erhalt von Krankenhäusern gestreikt worden. Das sind Streiks, die uns sehr nahegehen.

Die befürchtete kalte Strukturbereinigung darf und wird nicht kommen. Aber man muss sich erst einmal der Frage widmen: Wie konnte es so weit kommen, dass die Beschäftigten und die Betreiber der Krankenhäuser jetzt auf die Straße gehen? Was ist die Situation? Wer ist schuld? Was fehlt? Wir haben als Bund - der Bund ist ja gestern auch angegriffen worden - in den letzten Jahren unsere Hausaufgaben immer gemacht.

Der Bund hat seine Verpflichtungen erfüllt. In den letzten zehn Jahren ist der Landesbasisfallwert um 30 Prozent gestiegen. Wir haben in der Pandemie die Krankenhäuser mit 21 Milliarden Euro unterstützt. Wir haben in der Energiekrise die Krankenhäuser mit weiteren 6 Milliarden Euro an Energie- und Inflationshilfe unterstützt. Davon werden noch einmal 2,5 Milliarden Euro fließen. Der Bund wird jetzt auch noch einmal die Beschleunigung der Bezahlung der Pflegekräfte möglich machen. Der Landesbasisfallwert wird angepasst.

Was haben wir somit hier? Der Bund hat seine Verpflichtungen immer erfüllt. Die Länder sind aber auf der Straße. Jetzt schauen wir uns mal an, was die Länder gemacht haben. Die Länder haben in den letzten zehn Jahren - das ist unstrittig - 30 Milliarden Euro an Investitionskosten nicht bezahlt.

Das heißt, wenn die Länder jetzt auf die Straße gehen und den Bund verantwortlich machen wollen, dann grenzt das aus meiner Sicht an Heuchelei.

Denn der Bund hat immer bezahlt. Wir haben auch jetzt bezahlt. Wir haben die Krankenhäuser nie im Stich gelassen. Wir werden die Pflegereform beschleunigen. Wir werden den Landesbasisfallwert anpassen. Wir werden diese große Reform machen, auf die ganz Deutschland wartet. Aber die Länder sind ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.

Ich möchte auch ganz klar sagen: Es geht nicht nur um Geld. Da kann man sagen: Es ist das Wichtigste, dass das Geld da ist; das ist richtig. Eine kalte Strukturbereinigung ist falsch. Aber es geht auch um die Patienten. Im nächsten Jahr werden 17 Millionen Menschen in den Krankenhäusern stationär behandelt. 1,5 Millionen werden mit einer Krebserkrankung in die Krankenhäuser gehen. Für diese Menschen wird die Frage „In welche Klinik gehe ich?“ möglicherweise die wichtigste Frage sein, die sie im nächsten Jahr überhaupt zu beantworten haben. Es wird für Mütter, die mit ihrem Kind mit einer akuten lymphatischen Leukämie in die Klinik gehen, zum Teil die wichtigste Frage sein, die sie in diesem Jahr beantworten müssen.

Wir lassen die Menschen derzeit bei diesen wichtigen Fragen allein. Das kann nicht so bleiben. Wir sind in der Pflicht, den Menschen zu helfen, die die wichtige Frage zu beantworten haben: Wo werde ich mit meiner Erkrankung, mit meiner Krebserkrankung, wo wird mein Kind mit seiner Krebserkrankung besonders gut versorgt? Diese Fragen müssen wir beantworten können. Dafür brauchen wir dieses Gesetz. Diese Transparenz ist längst überfällig. Wir können die Menschen nicht länger mit diesen existenziellen Fragen alleine lassen.

Wir werden daher veröffentlichen: Wie viele Fachärzte arbeiten auf den Stationen? Wie viele Pflegekräfte? Wie sind die Komplikationsraten? Wie viel Erfahrung haben die Stationen mit diesen Eingriffen? Das sind die Informationen, die wir den Menschen schulden. Allein bei Brustkrebs ist es so: Die Sterblichkeit ist 25 Prozent niedriger, wenn Sie in einem zertifizierten Brustkrebszentrum behandelt werden. Wir haben ähnliche Sterblichkeitsunterschiede bei Darmkrebs, bei Herzinsuffizienz. Es ist der Szene bekannt, wo die guten Kliniken sind, aber doch nicht dem normalen Wähler, dem Bürger, für den wir verantwortlich sind. Und dann kommen die klassischen Gegenargumente. Es wird dann gesagt: Hier wird eine Bürokratie aufgebaut. - Das ist einfach falsch. Sie können sich die Einwürfe gleich sparen.

Das sind bis auf die Arztdaten alles Routinedaten. Das Traurige ist ja, dass wir die Daten haben, sie aber nie veröffentlicht haben. Das kann nicht richtig sein.

Der zweite Punkt, der immer wieder vorgetragen wird - das werden wir gleich auch wieder hören -: Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das sind leichte Fälle, schwere Fälle; die kleinen Häuser werden benachteiligt usw. usf. - Die Wahrheit ist: Wir gleichen diese Fälle nach dem Schweregrad an. Es gibt kein Institut in ganz Europa, das das besser könnte als das IQTiG, welches diese Arbeit für uns machen wird.

Das heißt, eine Klinik, die schwere Fälle behandelt und bei diesen schweren Fällen eine gute Ergebnisqualität hat, wird die besten Ergebnisse haben. Wir vergleichen nicht Äpfel mit Birnen, sondern wir berücksichtigen die Schweregrade.

Um das auch gleich zu sagen: Ein Argument, was vollkommen verwirrend ist und in die Irre führt, ist, dass die kleinen Kliniken dabei schlecht abschneiden. Was wird aus den kleinen Kliniken? Können die existieren, wenn so etwas passiert? Das ist auch falsch, weil die kleinen Kliniken für das, was sie machen, zum Teil eine hervorragende Qualität bringen.

Wir veröffentlichen doch nicht nur die Größe der Klinik, sondern wir veröffentlichen auch die Qualität der Versorgung. Das heißt, ich kann dann sehen: Das ist eine kleine Klinik. Die macht aber das, was sie kann, sehr gut. -Das ist doch transparent. Das hilft doch dann auch den kleinen Kliniken auf dem Land und auch den Fachkliniken. Wir weisen die Fachkliniken aus. Die Fachkliniken sind zum Teil klein und haben mit die besten Behandlungsergebnisse. Das wird durch diese Initiative erst transparent, sodass diese Krankenhäuser auch eine entsprechende Würdigung bekommen.

Was ich auch immer höre, ist: Können wir denn das nicht später machen? Können wir das nicht in zwei, drei Jahren machen? Wenn wir das jetzt machen, füllen sich die Krankenhäuser, die Qualitätsdefizite haben, möglicherweise nicht mehr. - Aber das ist doch eine durch und durch zynische Überlegung. Sollen sich denn die Krankenhäuser, die die Qualitätsdefizite haben, vielleicht mit unseren Kindern, Eltern oder gar mit uns selbst füllen?

Wer ist denn bereit, zur Verfügung zu stehen, damit die Häuser sich füllen? Niemand von uns. Und da sage ich: Was wir für uns, für unsere Kinder, für unsere Eltern nicht wollen, das sollten wir auch dem einfachen Bürger nicht zumuten.

Wenn ein solches Haus, das Qualitätsdefizite aufweist, sich nicht füllt, dann muss das Haus entweder besser werden und spezialisiert sich, oder es kann in diesem Wettbewerb nicht bestehen. Wir können nicht Häuser füllen auf der Grundlage schlechter Qualität und sagen: Das können wir nicht transparent machen. Das machen wir später. - Das ist unethisch. Das kann hier nicht akzeptiert werden.

Ich komme zum Abschluss. Diese Reform ist der erste Baustein einer Krankenhausreform, die aus vier Teilen besteht. Erst kommt die Transparenz für die Qualität. Dann kommen die Vorhaltepauschalen, sodass wir aus diesem System der Fallpauschalen, der Ökonomisierung der Bürokratie herauskommen. Dann machen wir eine Reform der Notfallversorgung.

Dann kommt die Notfallversorgung. Danach reformieren wir auch noch den Rettungsdienst. Wenn wir die Reform von Rettungsdienst und Notfallversorgung sowie Transparenz und auch ein System der Entökonomisierung und Entbürokratisierung umgesetzt haben, dann wird Deutschland eines der besten Krankenhaussysteme in ganz Europa haben, und daran arbeiten wir gemeinsam. Ich lade dazu ein. Die Ampel steht hier als Bund ganz geschlossen. Dafür möchte ich mich bedanken. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

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