Soziale Pflegeversicherung für die Zukunft aufstellen
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat am Montag, den 13. Oktober 2025, in einer digitalen Sitzung die ersten Zwischenergebnisse der Fachebene für eine stabile, verlässliche und zukunftsfähige Soziale Pflegeversicherung (SPV) erörtert.
Eine gute pflegerische Versorgung ist Versprechen und Verpflichtung zugleich: Wir müssen das System der sozialen Pflegeversicherung nachhaltig aufstellen – eine umfassende Reform ist überfällig. Die kann nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern gelingen. Hier muss jeder seiner Verantwortung gerecht werden, damit sich die Menschen weiterhin auf ein zukunftsfestes und finanzierbares System verlassen können. Stetige Beitragssteigerungen und Mehrbelastungen können hierfür nicht die Lösung sein. Zur Effizienzsteigerung müssen die Potenziale in der Versorgung stärker gehoben werden und die Wirkung bisheriger Leistungen auf den Prüfstand. Die Einnahmen im System müssen ausreichen, um das Leistungsversprechen zu finanzieren. Wir kommen um diese Debatten nicht herum – und sie müssen offen geführt werden. Die Zwischenergebnisse sind ein wichtiger Schritt hin zu einem gemeinsamen Fahrplan für eine umfassende Reform.
Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer: „Es liegt noch Arbeit vor uns. Die Stärkung der ambulanten Pflege ist ein zentraler Baustein. Viele Menschen wünschen sich, so lange wie möglich in ihrem vertrauten Zuhause leben zu können – dort, wo sie sich geborgen fühlen. Deshalb setze ich auf Unterstützung in den eigenen vier Wänden und im direkten Umfeld – auch, um den stationären Bereich zu entlasten. Angehörige müssen besser unterstützt werden – sie leisten den Löwenanteil der Pflege in Deutschland. Dazu wollen wir bessere Rahmenbedingungen schaffen, um Pflege, Beruf und Familie besser vereinbaren zu können. Absehbar ist auch: Die Finanzierungsfragen werden uns bis zum Abschluss der Reform begleiten. Dabei gilt: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Wir brauchen einen fairen Ausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung sowie eine Kostenbegrenzung, die Pflegebedürftige entlastet. Eine gute, würdevolle Versorgung im Alter darf auch künftig nicht vom Geldbeutel abhängen.“
Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Karl-Josef Laumann: „Mir ist wichtig, die Leistungen der Pflegeversicherung noch einmal genau in den Blick zu nehmen. 2017 hatten wir bei der letzten großen Pflegereform die Pflegegrade eingeführt. Das war zu der Zeit auch richtig. Aber wir müssen uns auch ehrlich fragen: Welche Ziele wollten wir womit erreichen und haben wir diese erreicht? Inzwischen haben wir ein hochkomplexes Leistungsrecht, in dem die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sich oftmals nicht mehr zurechtfinden. Zudem haben wir in der Pflegeversicherung noch keine guten Lösungen für pflegerische Akutfälle – wenn zum Beispiel kurzfristig die Pflegeperson ausfällt und ganz schnell eine Versorgung gefunden werden muss. Auch diese Punkte sind aus meiner Sicht ein wichtiger Teil der Reformüberlegungen. Gerade die Stärkung der häuslichen Versorgung ist mir ein besonderes Anliegen. Denn die pflegerische Versorgung findet weit überwiegend zu Hause statt.“
Hintergrund zum Beschluss der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“:
- Festhalten am Teilleistungssystem: Gemeinsames Verständnis ist, dass die soziale Pflegeversicherung auch nach der anstehenden Reform als Umlage- und Teilleistungssystem ausgestaltet bleibt, aber Lösungen zur Begrenzung bzw. Dämpfung der steigenden Eigenanteile gefunden werden müssen.
- Auftrag zur Begrenzung bzw. Dämpfung des Anstiegs der Eigenanteile: Die Fach-AG Finanzierung wurde beauftragt, die Optionen zur Begrenzung der Eigenanteile weiter auszuarbeiten, den Finanzbedarf zu beziffern und bis zur Abschlusssitzung im Dezember 2025 konkrete Reformvorschläge vorzulegen.
- Fokus auf versicherungsfremde Leistungen: Die Länder sehen eine kurzfristige Stabilisierung der Finanzlage der Pflegeversicherung nur dann als erreichbar an, wenn die ihr auferlegten versicherungsfremden Leistungen konsequent aus Steuermitteln finanziert werden.
- Weiterentwicklung des Pflegevorsorgefonds (PVF): Der PVF soll zur Stützung der SPV weiterentwickelt werden, um unter anderem einen stärkeren Beitrag zur Stabilisierung des Beitragssatzes zu leisten.
- Beibehaltung von Pflegegraden, Anpassung der Strukturen des Leistungsrechts: Die Unterscheidung nach Pflegegraden soll grundsätzlich beibehalten werden, die Strukturen des Leistungsrechts sollen jedoch möglichst vereinfacht und fokussiert werden.
- Evaluation des Begutachtungsinstruments: Gegenstand der Prüfungen ist auch das Begutachtungsinstrument. Dabei geht es um die Überprüfung der sog. Schwellenwerte auf Basis der Empfehlungen des Expertenbeirats von 2013 und eine Evaluation des gesamten Begutachtungsinstruments zur Bemessung der Pflegebedürftigkeit.
- Stärkere Präventionsorientierung in Pflegegrad 1: Die Beratungen über einen stärker präventionsorientierten Ansatz im Pflegegrad 1 werden fortgesetzt, wobei die Leistungen stärker auf Prävention konzentriert werden sollen, beispielsweise für eine verbesserte pflegefachliche Begleitung.
- Prüfung sektorenunabhängiger Leistungsbudgets: Sektorenunabhängige Leistungsbudgets sollen bis Ende 2027 ergebnisoffen geprüft werden, um Sektorengrenzen zu überwinden. Erste konkrete Schritte zur Vereinfachung des Leistungsrechts durch Bündelung in Budgets sollen weiterverfolgt werden.
- Neuaufstellung der Beratungsleistungen: Eine Weiterentwicklung und Neuaufstellung der Beratungsleistungen ist für alle Pflegebedürftigen notwendig, insbesondere durch eine Bündelung der entsprechenden Leistungen, auch um eine verbesserte pflegefachliche Begleitung zu ermöglichen.
- Verbesserte Versorgung bei pflegerischen Akutsituationen: Die Fach-AG wurde beauftragt, ihre Vorschläge für eine verbesserte Versorgung in pflegerischen Akutsituationen (z. B. bei kurzfristigem Ausfall der Hauptpflegeperson oder gesundheitlichen Krisen) zu konkretisieren.
- Investitionskosten und Infrastruktur: Die Länder sind sich ihrer Verantwortung für die Bereitstellung der pflegerischen Infrastruktur bewusst. Ob und wie die Förderung von Investitionskosten in diesem Zusammenhang einzuordnen ist, wird im weiteren Verfahren noch erörtert.
- Fokus der Arbeitsgruppen bis zum Abschluss der Beratungen im Dezember 2025: Bis zur Abschlusssitzung werden die Arbeitsgruppen neben den bereits benannten Themen ihre Arbeiten intensiv fortführen:
- Die AG Versorgung vertieft zusätzlich Kernthemen wie Prävention, Datenlage, Innovation/Digitalisierung/KI-Nutzung sowie Entbürokratisierung.
- Die AG Finanzierung prüft parallel dazu die einnahme- und ausgabeseitigen Stellschrauben.