Ziel 2a – Weiterentwicklung der Gebärmutterhals-Krebsfrüherkennung

Anpassung der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung an die Qualitätsvorgaben der aktuellen Auflage der „Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Zervixkarzinom-Screenings“ - (von 2008 und „Supplements“ von 2015)

Hintergrund

Die zu Ziel 2a im Jahr 2008 eingesetzte Experten-Arbeitsgruppe hatte seinerzeit festgestellt, dass das in Deutschland seit 1971 bestehende (opportunistische) Angebot zur Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung mittels jährlichem Pap-Abstrich (benannt nach dem griechischen Arzt George Papanicolaou) für Frauen ab 20 Jahren zu einer Senkung der Neuerkrankungs- und Sterblichkeitsraten um circa 60 bis 70 Prozent geführt hat. Trotz dieser positiven Bilanz bei der Früherkennung nimmt Deutschland hinsichtlich der Erkrankungsraten für Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) im europäischen Vergleich nur einen mittleren Platz ein.

Daher hatte die Experten-Arbeitsgruppe zu einer Anpassung der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung an die Qualitätsvorgaben der „Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Zervix-Karzinom-Screenings“ [2. Auflage von 2008; „Supplements“ (Ergänzung) von 2015 zur 2. Auflage] geraten. Dies beinhaltet eine organisatorische Weiterentwicklung und teilweise Neuorganisation der bereits etablierten Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung. Wichtige Schritte sind hierbei die Verbesserung der Qualitätssicherung, Durchführung eines organisierten Einladungsverfahrens, Anpassung des Screeningintervalls, die Regelung des Follow-ups der auffälligen Befunde inklusive Differentialkolposkopie und die Etablierung eines Informationssystems für das Monitoring und die Evaluation. Diese Neuerungen sollen in einem organisierten, bevölkerungsbezogenen Rahmen durchgeführt werden.

Ziel dieser Neuorganisation ist eine weitere Senkung der Neuerkrankungen und Sterblichkeit des Zervixkarzinoms in Deutschland. Im Vergleich zu vielen anderen Tumorerkrankungen können beim Gebärmutterhalskrebs mit dem Pap-Abstrich bereits Krebsvorstufen erkannt und, wenn nötig, behandelt werden. Da Krebsfrüherkennung aber auch Nachteile haben kann, ist die Minimierung der Risiken des Zervixkarzinom-Screenings ein weiteres Ziel der Neuorganisation. Risiken ergeben sich durch falsch-positive Befunde („falscher Alarm“), die zu unnötigen Abklärungsuntersuchungen führen, sowie aus der unnötigen Therapie von Veränderungen, die sich auch ohne Behandlung wieder zurückgebildet hätten, ferner gegebenenfalls die Vermittlung einer falschen Sicherheit durch falsch-negative Befunde.

Empfehlungen und Maßnahmen

Vor diesem Hintergrund hatte die Arbeitsgruppe im Jahr 2010 folgende Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung empfohlen:

  1. Schaffung der gesetzlichen Grundlagen zur (kostenlosen) Nutzung von Einwohnermeldedaten oder Versichertendaten zum Zweck der Organisation einer Früherkennungsuntersuchung (geregeltes Einladungsverfahren, Follow-up, Qualitätssicherung, Monitoring, Evaluation).

  2. Implementierung eines bevölkerungsbezogenen, qualitätsgesicherten und organisierten Zervixkarzinom-Screenings nach Schaffung der gesetzlichen Grundlagen.

  3. Testung von Effektivität, Machbarkeit, Kosten und Akzeptanz einzelner beziehungsweise kombinierter Maßnahmen (zum Beispiel geregeltes Einladungsverfahren, Monitoring, Fail-Safe-System zur Sicherstellung der Abklärung auffälliger Befunde, Register) im Rahmen von Pilotstudien/Modellprojekten.

  4. Entwicklung eines detaillierten Evaluationskonzeptes für das Zervixkarzinom-Screening auf der Basis der EU-Leitlinien und aufbauend auf den Empfehlungen des Papiers zu Ziel 3; Klärung von Zielen, Parametern und Umfang der erforderlichen Daten.

  5. Einbettung des Zervixkarzinom-Screenings in ein umfassendes System der Qualitätssicherung und -kontrolle. Hierzu gehören auch die bestehenden vertragsärztlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Abstrichuntersuchung.

  6. Gewährleistung einer flächendeckenden Versorgung mit einer qualitätsgesicherten Kolposkopie (Spiegelung des Muttermundes) und gegebenenfalls Biopsie (Gewebeentnahme). Prüfung einer solchen Maßnahme durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

  7. Derzeit [2010] wird im Auftrag des G-BA eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung für die Konisation (operative Entfernung eines Gewebekegels aus dem Muttermund) entwickelt. Zur Vermeidung von Doppelstrukturen soll bei der Etablierung eines organisierten Zervixkarzinom-Screenings geprüft werden, ob und wie die bereits existierenden Qualitätssicherungsmaßnahmen integriert werden können.

  8. Der G-BA hat [2010] das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit einer Nutzenbewertung [2012] des HPV-Tests (Test auf eine Infektion mit humanen Papillomaviren) im Primärscreening beauftragt. Nach Abschluss dieser Nutzenbewertung soll der G-BA prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des HPV-Tests im Primärscreening erfüllt sind.

  9. Entwicklung eines geeigneten Kommunikationskonzeptes/ Informationskonzeptes zur Verbesserung der informierten Entscheidung und besseren Compliance (zum Beispiel Wahrnehmung der notwendigen Abklärungsuntersuchungen). Dies umfasst auch Maßnahmen zur Akzeptanz von notwendigen Änderungen im Programm, wie zum Beispiel Intervallveränderungen, bei den anspruchsberechtigten Frauen und den Leistungserbringern.

  10. Aus epidemiologischer Sicht wird eine datenhaltende und -auswertende Stelle (im Sinne eines Screeningregisters) benötigt. Es ist zu prüfen, ob beziehungsweise in welchem Umfang die Einrichtung einer solchen Stelle insbesondere unter den derzeitigen datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen möglich ist.

  11. Entwicklung einer S3-Leitlinie [12/2017] für die Diagnostik und Therapie von Frauen mit auffälligen Befunden aus der gynäkologischen Krebsvorsorge.

  12. Der G-BA sollte prüfen, ob eine Anpassung der unteren und oberen Altersgrenzen, sowie des Untersuchungsintervalls eines qualitätsgesicherten Zervixkarzinom-Screenings erforderlich ist.

Die vorgenannten 12 Umsetzungsempfehlungen hat die Steuerungsgruppe des Nationalen Krebsplans im November 2010 angenommen.

Stand der Umsetzung

Mit dem am 9. April 2013 in Kraft getretenen Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) wurden zwei zentrale Bereiche der Empfehlungen des Nationalen Krebsplans aufgegriffen: die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und der flächendeckende Ausbau von klinischen Krebsregistern.

Im Bereich der Krebsfrüherkennung wurden mit dem Gesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Strukturen, Reichweite, Wirksamkeit und die Qualität der bestehenden Krebsfrüherkennungsangebote nachhaltig zu verbessern. Um die Menschen besser zu erreichen, sollen diese künftig persönlich, das heißt schriftlich, zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs und von Darmkrebs eingeladen werden. Mit der Einladung sollen die Bürgerinnen und Bürger auch hinreichend, ausgewogen, in einfacher Sprache, zielgruppengerecht und barrierefrei über den Nutzen und die Risiken der jeweiligen Untersuchung informiert werden. Außerdem wird durch das Gesetz eine konsequente Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle der Krebsfrüherkennungsprogramme für Gebärmutterhalskrebs und für Darmkrebs sichergestellt. Eine durchgängige Qualitätssicherung soll dazu beitragen, die Risiken der Krebsfrüherkennung zu minimieren und ihren Nutzen zu maximieren.

Die Umsetzung des Regelungsteils zur Krebsfrüherkennung betrifft vorrangig den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der das Nähere zur Durchführung der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme innerhalb von drei Jahren in seinen Richtlinien regeln sollte. Aufgrund der hohen fachlichen Komplexität des Programms einschließlich der Klärung Datenschutz- und IT-relevanter Aspekte hinsichtlich der Zusammenführung und Auswertung von Screening-Daten zur Qualitätssicherung und Evaluation des Programms konnte der G-BA seine Beratungen bis zu der mit dem KFRG vorgegebenen Frist (30. April 2016) nicht abschließen.

Der G-BA hat dann am 19. Juli 2018 eine umfassende neue „Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme“ zunächst mit einem besonderen Teil für das Darmkrebs-Screening (Ziel 2b des NKP) beschlossen; dieser Beschluss ist auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht.

Der G-BA-Beschluss zu einem besonderen Teil für das neu gestaltete Screening-Programm für Gebärmutterhalskrebs folgte am 22. November 2018.

Seit Januar 2020 schreiben nun die gesetzlichen Krankenkassen die versicherten Frauen im Alter von 20 bis 65 Jahren alle 5 Jahre an („Einladung“) und informieren sie über das neu gestaltete Gebärmutterhalskrebs-Screening (mit einer „Versicherteninformation“ in Form einer Entscheidungshilfe). Die Krebsfrüherkennungsuntersuchungen können von Frauen ab 20 Jahren auch unabhängig von den Anschreiben der gesetzlichen Krankenkassen sowie über das 65. Lebensjahr hinaus in Anspruch genommen werden.

Frauen im Alter von 20 bis 34 Jahren können (wie bisher) jährlich einen zytologischen Abstrich beziehungsweise Pap-Abstrich in Anspruch nehmen. Frauen ab dem Alter von 35 Jahren wird nunmehr statt des jährlichen Pap-Abstrichs alle 3 Jahre eine Kombinationsuntersuchung, bestehend aus einem HPV-Test (Test auf eine Infektion durch humane Papillomviren) und einem zytologischen Abstrich beziehungsweise Pap-Abstrich, angeboten. Aufgrund des hohen HPV-Vorkommens in der Altersgruppe der 20- bis 34-Jährigen und der hohen Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion ohne Veränderungen am Gebärmutterhals wieder ausheilt, wäre bei einem HPV-Test-basierten Screening der 20- bis 34-Jährigen von beträchtlicher Überdiagnostik und Übertherapie auszugehen. Aus diesem Grund haben Frauen erst ab dem Alter von 35 Jahren Anspruch auf die oben genannte Kombinationsuntersuchung. Außerdem werden nun auffällige Abstrich- und/oder HPV-Test-Befunde nach bestimmten, vom G-BA festgelegten Algorithmen befundbezogen und altersspezifisch innerhalb des Screening-Programms weiter abgeklärt, unter anderem unter Einsatz der Kolposkopie (Spiegelung des Muttermundes).

Alle Frauen haben ab dem Alter von 20 Jahren außer dem oben genannten Abstrich / HPV-Test wie bisher Anspruch auf eine jährliche klinische (Tast-)Untersuchung, die – je nach Anspruchsalter der Frauen beziehungsweise den oben genannten Untersuchungsintervallen für Abstrich / HPV-Test – im jeweiligen Kalenderjahr mit oder aber ohne zytologischen Abstrich / HPV-Test erfolgt.

Die Dokumentation zur Programmbeurteilung (Evaluation) der beiden Screening-Programme für Gebärmutterhalskrebs und für Darmkrebs ist im Oktober 2020 angelaufen.

Stand: 4. März 2024
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