Ziel 2b – Weiterentwicklung der Darmkrebsfrüherkennung

Anpassung der Darmkrebs-Früherkennung an die Qualitätsvorgaben der aktuellen Auflage (2010) der "Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Darmkrebs-Screenings"

Ausgangslage zu Beginn der Beratungen in der Experten-Arbeitsgruppe 2008

Darmkrebs gehört zu den häufigsten Krebserkrankungen und Krebstodesursachen in Deutschland. Im Jahr 2006 waren circa 69.000 Darmkrebs-Neuerkrankungen und etwas mehr als 27.000 Todesfälle zu verzeichnen. [Im Jahr 2020 erkrankten 54.770 Frauen und Männer (24.240 Frauen, 30.530 Männer) neu an Darmkrebs, und 23.787 Darmkrebs-Betroffene verstarben an den Folgen der Erkrankung (10.667 Frauen, 13.120 Männer)]. Da dem Darmkrebs in der Regel langsam wachsende Vorstufen (Polypen/Adenome) vorausgehen, die durch eine Darmspiegelung (Koloskopie) entdeckt und meist entfernt werden können, ist er eine der wenigen Tumorerkrankungen, die sich durch ein erfolgreiches Screening mittels Früherkennungs-Darmspiegelung fast vollständig verhindern oder heilen ließen.

Deutschland hat im internationalen Vergleich eines der umfangreichsten Früherkennungsprogramme für Darmkrebs. Bisher (Stand 2008) hatten Frauen und Männer im Alter von 50 bis 54 Jahren jedes Jahr Anspruch auf einen Test auf verborgenes Blut im Stuhl (damals gFOBT). Ein auffälliger Stuhlbluttest soll immer durch eine Darmspiegelung weiter abgeklärt werden. Ab dem Alter von 55 Jahren bestand gleichermaßen für Frauen und Männer seit Oktober 2002 ein Anspruch auf eine Früherkennungs-Darmspiegelung (Koloskopie), die einmal nach 10 Jahren wiederholt werden kann. Als Alternative zu einer Früherkennungs-Darmspiegelung kann ein zweijährlicher Stuhlbluttest durchgeführt werden. Nach den damaligen Angaben des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) hatten sich von Oktober 2002 bis Ende 2008 in der Altersgruppe von 55 bis 74 Jahren ca. 17,2 Prozent der Frauen und 15,5 Prozent der Männer einer Früherkennungs-Koloskopie unterzogen (kumulierte Teilnahmerate). [Für den Zeitraum 2010 bis 2019 lagen die vom ZI geschätzten kumulierten Teilnahmeraten für die anspruchsberechtigten Altersgruppen bei durchschnittlich 15,9 Prozent (Frauen) und 16,4 Prozent (Männer) und damit etwas niedriger als im Zeitraum 2003 bis 2014.]

Die Expertinnen und Experten der Arbeitsgruppe halten es für durchaus realistisch, die Zahl der Todesfälle an Darmkrebs durch eine effektivere Nutzung der Früherkennungsmöglichkeiten weiter deutlich zu reduzieren.

An der bisherigen Darmkrebsfrüherkennung (Stand 2008) wurde von der Experten-Arbeitsgruppe Folgendes bemängelt:

  • unzureichende Teilnahmerate,

  • unzureichende, oft unvollständige Dokumentation und Durchführung des Stuhlbluttests (gFOBT) ohne adäquate Abklärung auffälliger Befunde,

  • unzureichende Dokumentation der 30-Tage-Komplikationsrate der Vorsorge-Koloskopie,

  • Fehlen eines organisierten persönlichen Einladungs-/Aufforderungswesens,

  • Fehlen gezielter Früherkennungsangebote für Personen mit einem familiären oder hereditären Darmkrebsrisiko,

  • unzureichende Treffsicherheit des gFOBT-Stuhlbluttests.

Vor diesem Hintergrund ging beziehungsweise geht es bei Ziel 2 b um die Weiterentwicklung der bisherigen Darmkrebsfrüherkennung zu einem organisiertes Programm mit Einladungswesen, verbesserter Qualitätssicherung und Evaluation in Anlehnung an die Empfehlungen der im Jahr 2010 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Darmkrebs-Screenings („European guidelines for quality assurance in colorectal cancer screening and diagnosis“, First Edition, 2010; die Leitlinien werden aktuell überarbeitet). In einigen Bundesländern waren während der vergangenen Jahre unterschiedliche Einladungsverfahren sowie Qualitätsoffensiven für die Darmkrebsfrüherkennung durchgeführt worden. Die bisherigen Erfahrungen und Ergebnisse dieser Projekte (Saarland, AOK Brandenburg, AOK Rheinland/Hamburg und KV Bayerns) wurden im Rahmen des Nationalen Krebsplans bei einem Workshop am 13. November 2009 vorgestellt und diskutiert.

Empfehlungen und Maßnahmen

Von der Experten-Arbeitsgruppe wurden 2010 folgende Umsetzungsmaßnahmen empfohlen:

  1. Schaffung klarer rechtlicher Rahmenbedingungen für ein bundesweites organisiertes Darmkrebs-Screening mit Einladungs-/Aufforderungsverfahren

  2. Durchführung von Modellprojekten zum organisierten, bevölkerungsbasierten Einladungsverfahren auf der Basis der Meldeamtsdaten oder der Daten der Krankenkassen

  3. Soweit die fachlichen und wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Nutzenbewertung geeigneter immunologischer Tests (iFOBT) zur Darmkrebsfrüherkennung gegeben sind, sollte eine entsprechende Beratung und Prüfung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) erfolgen

  4. Sicherstellung der ggf. erforderlichen Rahmenbedingungen für eine personenbezogene Dokumentation und Zusammenführung von Daten im Rahmen eines organisierten Darmkrebsfrüherkennungsprogramms einschließlich zentraler Auswertung der Stuhlbluttests; Zusammenführung aller Koloskopien durch die Selbstverwaltung

  5. Erfassung der 4-Wochen-Komplikationsrate (bei Koloskopien)

  6. Prüfung der Aufnahme der "risikoadaptierten Früherkennung" in die Krebsfrüherkennungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses – Identifikation von Risikopersonen durch Einführung eines validierten Fragebogens zum familiären und erblichen Darmkrebsrisiko

  7. Regelung der Finanzierung des organisierten Einladungswesens zur Darmkrebsfrüherkennung

  8. Stärkung einer konzertierten Öffentlichkeitsarbeit (in Hausarztpraxen, durch Krankenkassen, Stiftungsarbeit etc.)

  9. Forschungsprojekte (z. B. zu neuen Stuhlbluttests)

Stand der Umsetzung

Mit dem am 9. April 2013 in Kraft getretenen Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG), wurden zwei zentrale Bereiche der Empfehlungen des Nationalen Krebsplans aufgegriffen: die Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und der flächendeckende Ausbau von klinischen Krebsregistern.

Im Bereich der Krebsfrüherkennung wurden mit dem Gesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Strukturen, Reichweite, Wirksamkeit und die Qualität der bestehenden Krebsfrüherkennungsangebote nachhaltig zu verbessern. Um die Menschen besser zu erreichen, werden persönliche, das heißt schriftliche Einladungen zur Krebsfrüherkennung von Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) versendet. Mit der Einladung sollen die Bürgerinnen und Bürger auch hinreichend, ausgewogen, in einfacher Sprache, zielgruppengerecht und barrierefrei über den Nutzen und die Risiken der jeweiligen Untersuchung informiert werden. Außerdem wird durch das Gesetz eine konsequente Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle der Krebsfrüherkennungsprogramme für Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs sichergestellt. Eine durchgängige Qualitätssicherung soll dazu beitragen, die Risiken der Krebsfrüherkennung zu minimieren und ihren Nutzen zu maximieren.

Die Umsetzung des Regelungsteils zur Krebsfrüherkennung betrifft vorrangig den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), der das Nähere zur Durchführung der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme innerhalb von drei Jahren in seinen Richtlinien regeln sollte. Aufgrund der hohen fachlichen Komplexität des Programms einschließlich der Klärung Datenschutz- und IT-relevanter Aspekte hinsichtlich der Zusammenführung und Auswertung von Screening-Daten zur Qualitätssicherung und Evaluation des Programms konnte der G-BA seine Beratungen bis zu der mit dem KFRG vorgegebenen Frist (30. April 2016) nicht abschließen. Als einen wichtigen ersten Schritt hatte der G-BA am 21. April 2016 den Beschluss gefasst, künftig quantitative immunologische Stuhlbluttests (iFOBT) statt des bisherigen chemischen Guajak-Tests (gFOBT) einzusetzen. Seit dem 1. April 2017 steht das neue Stuhltest-Verfahren (iFOBT) zur Früherkennung von Darmkrebs gesetzlich Versicherten als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung. Darüber hinaus hatte der G-BA bereits mit Beschluss vom 19. März 2015 das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Erstellung von Einladungsschreiben und Entscheidungshilfen (Versicherteninformationen) zum organisierten Darmkrebs-Screening beauftragt. Der entsprechende IQWiG-Bericht wurde dem G-BA im Herbst 2016 vorgelegt.

Der G-BA hat am 19. Juli 2018 eine umfangreiche neue „Richtlinie für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme“ mit einem besonderen Teil für das Darmkrebs-Screening beschlossen. Dieser Beschluss ist auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht. Der G-BA-Beschluss zum Screening-Programm für Gebärmutterhalskrebs (Ziel 2a des NKP) erfolgte am 22. November 2018.

Im allgemeinen Teil der neuen Richtlinie des G-BA für organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme sind grundsätzliche Regelungen zu Aufbau- und Ablauforganisation der organisierten Screening-Programme (für Darm- und Gebärmutterhalskrebs) dargestellt. Insbesondere werden grundlegende, programmübergreifende Anforderungen an das Einladungswesen (durch die Krankenkassen), das Widerspruchsrecht gegen Folgeeinladungen (gegenüber der Einladungsstelle), an die Durchführung einschließlich Dokumentation der jeweiligen Krebsfrüherkennungsuntersuchung und die vorgesehene Programmbeurteilung (Qualitätssicherung/Evaluation) formuliert.

Im besonderen Teil der Richtlinie sind die jeweiligen, auf die unterschiedlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen abgestimmten besonderen Regelungen festgelegt, insbesondere die konkreten Anspruchsvoraussetzungen, die jeweils eingesetzten Untersuchungsmethoden sowie die besonderen Programmbeurteilungskriterien. Hier werden auch die jeweiligen Daten dargestellt, die für die Programmbeurteilungen herangezogen werden sollen. Beide Screening-Programme richten sich an Menschen mit einem durchschnittlichen Krebsrisiko.

Seit Juli 2019 versenden die gesetzlichen Krankenkassen die Einladungen nebst Versicherteninformationen (im Sinne von Entscheidungshilfen) zum Darmkrebs-Screening an ihre Versicherten ab 50 Jahren. Die Versicherten werden alle fünf Jahre (bis 65 J.) angeschrieben. Die Versicherten können selbstverständlich auch unabhängig von den Einladungen an der Darmkrebsfrüherkennung teilnehmen.

Ab dem Alter von 50 Jahren können sich Frauen und Männer einmalig umfassend in der Arztpraxis über Ziel und Zweck des Darmkrebs-Screenings beraten lassen. Neu ist, dass Männer bereits ab dem Alter von 50 bis 54 Jahren zwischen einem jährlichen immunologischen Stuhlbluttest (iFOBT) oder insgesamt zweimaliger Früherkennungskoloskopie (Darmspiegelung) im Mindestabstand von 10 Jahren wählen können. Frauen im Alter von 50 bis 54 Jahren haben wie bisher einen jährlichen Anspruch auf den iFOBT. Ab 55 Jahren können Frauen wie bisher zweimalig eine Früherkennungskoloskopie im Mindestabstand von 10 Jahren durchführen lassen. Nehmen Frauen und Männer das Koloskopie-Angebot erst ab dem Alter von 65 Jahren wahr, besteht Anspruch auf eine Früherkennungskoloskopie. Frauen und Männer ab 55 Jahren haben alle zwei Jahre Anspruch auf einen iFOBT, solange noch keine Früherkennungskoloskopie in Anspruch genommen wurde (siehe auch Pressemitteilung des G-BA vom 18.04.2019). 

Die Einladungen zur Gebärmutterhalskrebsfrüherkennung erfolgen seit Januar 2020. Die Programmbeurteilung (Evaluation) beider Screening-Programme ist im Oktober 2020 angelaufen.

Unabhängig hiervon hatte der G-BA am 20. Juli 2017 einen Beschluss zum weiteren Vorgehen hinsichtlich der Früherkennung bei einem erhöhten familiären Risiko für Darmkrebs gefasst. Dabei sollte ein gestuftes Verfahren zugrunde gelegt werden. In einem ersten Schritt sollte das organisierte Darmkrebs-Screening ohne eine besondere Regelung für Personen mit einem familiären Darmkrebsrisiko konzipiert werden; dies wurde mit dem oben angegebenen G-BA-Beschluss vom 19. Juli 2018 umgesetzt. Parallel sollen aber familiär belastete Personen bei den G-BA-Beratungen mit betrachtet und geprüft werden, ob für diese Gruppe spezifische Regelungen getroffen werden können. Der G-BA hat daher mit einem weiteren Beschluss, ebenfalls vom 19. Juli 2018, eine entsprechende Änderung der ärztlichen Gesundheitsuntersuchung, besser bekannt als „Check-up“, dahingehend vorgenommen, dass nunmehr bei der Erhebung der Krankengeschichte konkret auch nach einer familiären Belastung zum Beispiel durch Darm- oder Brustkrebs gefragt wird. Derzeit befasst sich der G-BA auch mit den Ergebnissen des von Oktober 2017 bis September 2021 aus dem Innovationsfonds beim G-BA geförderten Projektes FARKOR („Vorsorge bei familiärem Risiko für das kolorektale Karzinom“). In dem entsprechenden Beschluss des Innovationsausschusses beim G-BA vom 23. Februar 2023 finden Sie weitere Informationen.

Stand: 1. März 2024
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