Spahn: "Mit diesem Gesetzentwurf für die Pflege lösen wir ein, was wir versprochen haben."

2./3. Lesung zum Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG)

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Bundesgesundheitsminister Jens Spahn:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sind in der Regierung und hier im Parlament, um konkret Dinge anzupacken, um Dinge besser zu machen, um zu beweisen, dass demokratische Politik etwas verändern kann, auch um - so wie es der Herr Bundespräsident gerade gesagt hat - Zukunft positiv zu gestalten. Pflege ist genau so ein Thema, das wir anpacken müssen, an das wir ranmüssen, um die Vertrauenskrise in der Pflege, über die wir alle hier zu Recht schon öfter gesprochen haben, zu überwinden.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir halten Wort. Mit dem Pflegestellen-Förderprogramm, das wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vorsehen, lösen wir ein, was wir versprochen haben: bessere Arbeitsbedingungen, mehr Pflegekräfte, eine bessere Bezahlung in der Pflege. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Zeichen für die Pflege in Deutschland.

Wenn ich hier mancher Rede zuhöre, bin ich mir nicht sicher, ob alle das Ausmaß dessen erfasst haben, was wir da gerade machen - ganz ehrlich. Wenn wir jetzt den Krankenhäusern sagen: „Jede zusätzliche Pflegestelle wird finanziert; ab 2020 wird Pflege ausgegliedert und voll finanziert, egal welche Kosten in den Krankenhäusern anfallen; jede Tarifsteigerung wird voll finanziert“, dann ist das ein Paradigmenwechsel für die Pflege in den Krankenhäusern in Deutschland. Das ist die größte Veränderung in der Pflege in Krankenhäusern nicht seit 15, nicht seit 20, sondern seit 30 Jahren - ein wahnsinnig wichtiger Schritt. Ich fände es angemessen, wenn Sie uns ab und zu auch mal sagen würden, was uns da gelingt und was wir da bewegen.

issen Sie, Frau Kollegin, meine erste Gegenfrage wäre: Würden Sie deswegen in den Krankenhäusern nicht das tun, was wir dort tun?
- Also sind wir einig: „Das ist ein guter, richtiger Schritt für die Krankenhäuser“?
Können wir das der Öffentlichkeit mal gemeinsam sagen: „ein guter, richtiger, wichtiger Schritt für die Krankenhäuser in Deutschland“? Das bestreitet also niemand. Erster Teil.

Zweiter Teil: Altenpflege. 13 000 neue Stellen in der Altenpflege. In jeder stationären Altenpflegeeinrichtung in Deutschland kommt was von diesem Programm an. Ein erster Schritt, ja. Zum ersten Mal ist gesetzlich reguliert, dass wir Tarifbezahlung in der häuslichen Krankenpflege refinanzieren, weil gerade die Pflegedienste ein Problem haben, nach Tarif zu bezahlen, wenn die Kassen ihnen sagen: Warum zahlt ihr denn eure Leute so gut? - Das regeln wir.

Wir führen Betreuungsdienste ein, weil - ja, das ist richtig ist, auch bei mir im Münsterland - viele pflegende Angehörige und Familien im Moment keinen Pflegedienst finden, auch deshalb, weil sie - übrigens ein Erfolg unserer Reform - zusätzliche Ansprüche haben, etwa auf Entlastungsleistungen, auf Haushaltshilfe, auf Unterstützung, darauf, dass nachmittags mal jemand da ist. Deswegen lassen wir zum 1. Januar Betreuungsdienste erstmalig zu. Modellprojekte haben nämlich gezeigt, dass das entlastet.

Damit entlasten wir auch die Pflege. Leider kam kein Wort von Ihnen dazu, was wir da an Verbesserungen haben. Wissen Sie eines, Frau Kollegin? Ich habe nie gesagt, und die Koalition hat nie gesagt, dass das hier das Ende ist. Wir haben immer gesagt: Das ist der erste Schritt. Aber wissen Sie, was mir langsam echt ein bisschen auf den Zwirn geht, auch in der öffentlichen Debatte? Dass ständig nur darauf fokussiert wird, was alles noch fehlt, was alles noch kommen muss, wo wir irgendwie noch was zu wenig machen.

Wir könnten ja auch mal gemeinsam anerkennen, dass das ein erster Schritt ist, und zwar der größte Schritt in der Pflege seit über 20 Jahren. Das könnte man ja mal wahrnehmen, wenn man denn wollte.
Im Übrigen wollen wir natürlich auch - ich befinde mich dazu mit Hubertus Heil in Gesprächen - eine bessere Bezahlung in der Altenpflege.

Das ist unser Ziel. Aber jetzt folgen auch weitere Maßnahmen, weitere Gesetze. Wir befinden uns in Gesprächen mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern, um genau das zu lösen. Sie wissen doch auch ganz genau, dass wir daran arbeiten. Trotzdem freue ich mich darüber, dass wir heute den ersten Schritt machen. Ich fange eine Reise halt immer mit dem ersten Schritt an. Ich weiß nicht, wie Sie das tun - ganz ehrlich nicht.

Eine Frage kommt dazu. Die Frau Kollegin von der FDP sagt: Zu wenig, wir müssten noch mehr tun. - Ist ja prima. Ich höre auch einige Stimmen zur Erhöhung der Pflegebeiträge. Aber dann müssten Sie den Leuten auch ehrlich sagen, wie Sie das finanzieren wollen. Zur sozialen Marktwirtschaft gehört auch, dass man rechnen kann. Wer ständig mehr fordert, sollte auch ehrlich den Menschen sagen, dass das finanziert werden muss.

Das gehört an der Stelle nämlich auch dazu. Aber nicht alle bei Ihnen sagen das so, im Gegenteil.
Ja, natürlich geht es auch darum, diese Stellen zu besetzen. Das weiß ich auch. Der erste Schritt ist, die Stellen zu finanzieren. Der zweite ist, sie zu besetzen. Und ja, der Arbeitsmarkt ist ziemlich leergefegt. Aber wir müssen doch erst mal ein Signal in die Pflege senden. Wir finanzieren zusätzliche Stellen. Es soll mehr Kolleginnen und Kollegen geben. Es soll wieder mehr Zeit verfügbar sein. Es soll bessere Arbeitsbedingungen geben. Es steht übrigens auch drin: Modellprojekte, und zwar sehr großzügig, dafür, dass wir dann, wenn die Kita nicht aufhat, nachts und am Wochenende, Angebote machen können. Dann betriebliche Gesundheitsförderung: Das ist psychisch und physisch eine wahnsinnig herausfordernde Tätigkeit; die Pflegekräfte sollen deshalb dabei Unterstützung bekommen. Es erfolgen Investitionen ins Digitale. Wir tun gerade alles in einem ersten Schritt, um Arbeitsbedingungen zu verbessern. Weitere Schritte müssen folgen.

Aber nur, wenn wir die Arbeitsbedingungen verbessern, werden wir Menschen dazu ermuntern können, in die Pflege zu gehen. Deswegen ist dieser erste Schritt an dieser Stelle so wichtig.
Jetzt zu den Pflegepersonaluntergrenzen. Wissen Sie, Sie sagen mir einerseits: Die Pflegekräfte gibt es gar nicht; der Arbeitsmarkt ist leergefegt.

Andererseits sagen Sie mir: Das, was Sie, Herr Minister, per Verordnung gemacht haben, reicht nicht; Sie müssen viel höhere Personalanforderungen an die Krankenhäuser stellen. - Wenn Sie eine Sekunde darüber nachdenken, heißt beides zusammengeführt: Wenn ich jetzt, bei einem leergefegten Arbeitsmarkt, die Personalanforderungen erhöhe, dann werden flächendeckend in Deutschland Krankenhäuser ihre Intensivstationen abmelden, Betten abbauen, ihr Angebot reduzieren. Deswegen müssen wir das vernünftig, Schritt für Schritt, mit Augenmaß machen. Ja, wir in der Koalition wollen Personaluntergrenzen. Wir werden sie auch weiter ausbauen. Aber wir machen es so, dass dabei nicht die Versorgung auf dem Rücken der Patienten und Pflegekräfte zusammenbricht. Das ist der entscheidende Unterschied.

Ich weiß doch genau, wer sich als Erstes beschwert, wenn Krankenhäuser ihre Intensivstationen abmelden. Dann werden Sie die Ersten sein, die schreien. Das finde ich einfach nicht fair in der Debatte. Es gehört dazu, zu sagen: Jemand, der höhere Pflegepersonaluntergrenzen bei einem leergefegten Arbeitsmarkt will, der riskiert, dass flächendeckend in Deutschland Krankenhäuser ihr Angebot reduzieren. Den Teil sollten Sie mal ehrlich dazusagen. Denn ansonsten sind mir, ehrlich gesagt, die Forderungen, die erhoben werden, ein bisschen zu einfach.

Deswegen, meine Damen und Herren, betone ich abschließend noch mal: Es geht darum, auch in der Pflege Vertrauen zurückzugewinnen, indem man nicht das Blaue vom Himmel verspricht, wie Sie das machen - ist ja okay. Zum Zurückgewinnen des Vertrauens gehört, wie ich finde, dazu, ganz konkret, im Alltag, spürbar, Schritt für Schritt die Dinge besser zu machen. Wenn Pflegekräfte, Patienten und Pflegebedürftige in 6, in 12, in 18 Monaten sagen: „Die Richtung stimmt, es wird besser, und wir wissen, dass weitere Schritte folgen“, dann ist damit enorm viel getan.

Das ist übrigens eine Blaupause auch für andere Bereiche - eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin -, um Vertrauen zurückzugewinnen: Probleme erkennen, Probleme anerkennen, die Debatte darüber führen, wie wir Probleme lösen, und es dann konkret tun, entscheiden, Schritt für Schritt. Das machen wir in dieser Koalition. Das tun wir für die Pflege in Deutschland mit diesem Gesetz. Ehrlich gesagt, würde ich mich freuen, wenn wir das gemeinsam auch so in die Pflege tragen würden. Denn nur, wenn diese Botschaft ankommt, werden wir noch mehr Menschen ermuntern können, in diesen wichtigen Beruf zu gehen.

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