Lauterbach: "Die Digitalisierungsreform wird kommen."

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach spricht im Bundestag zum Bundeshaushalt für Gesundheit 2024.

07. September 2023

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Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Bundeshaushalt für Gesundheit ist der am stärksten schrumpfende Gesundheitshaushalt seit Langem und leistet den stärksten Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts insgesamt. Das ist aber nur darauf zurückzuführen, dass die hohen Pandemiekosten jetzt nicht mehr anfallen. Der Haushalt wächst im Vergleich zu der Zeit vor Corona. Somit haben wir keinen insgesamt schrumpfenden Haushalt, sondern einen sich stabilisierenden Haushalt.

Wir haben einen Haushalt, der mit dazu beigetragen hat, dass Deutschland im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern besser durch die Pandemie gekommen ist, mit einer geringeren Sterblichkeit, mit weniger schweren Verläufen. Das ist die Leistung der vielen gewesen: der Pflegerinnen, der Ärztinnen, auch der Apothekerinnen, der Medizinischen Fachangestellten, der vielen, die da im Hintergrund geholfen haben. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken. Das war eine großartige gemeinsame Leistung, auf die dieses Land stolz sein kann.

Wir sind jetzt wieder zurück bei den Alltagsaufgaben, und bei den Alltagsaufgaben muss man sagen: Was ist der Status derzeit? Leider ist das deutsche Gesundheitssystem, um in der Sprache der Medizin zu bleiben, chronisch krank. Wir haben im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die höchsten Ausgaben gemessen am Bruttosozialprodukt. Wir haben die höchsten Ausgaben für die Krankenhausversorgung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Wir haben sehr hohe Ausgaben in allen Bereichen. Wir haben aber leider keine gute Ergebnisqualität.

Die Lebenserwartung hat sich in Deutschland nicht so gut entwickelt, als dass wir eine Lebenserwartung hätten wie beispielsweise die Menschen in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Schweden, Finnland oder Norwegen. Wir haben mittlerweile so große Defizite in der Lebenserwartung, dass darüber international geschrieben wird. Wir haben auch sehr große Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen Reich und Arm: Wenn man das unterste Fünftel mit dem obersten Fünftel vergleicht, ist bei Männern die Lebenserwartung im untersten Fünftel zehn Jahre kürzer. Somit haben wir bei der Ergebnisqualität ein erhebliches Problem, ein Problem, über welches jetzt auch international viel geschrieben wird. Woran liegt das? Haben wir schlechtere Ärzte? Haben wir schlechtere Pflegekräfte? Sind die Leute nicht motiviert? Ganz im Gegenteil: Wir haben erstklassige Forschung, wir haben erstklassige Ärztinnen, wir haben hochmotivierte Pflegekräfte. Aber wir haben einen Reformstau seit mehr als zehn Jahren.

Jetzt kann man sagen: Es sind doch ständig Reformen gemacht worden. Wie oft sind Reformen vorgetragen worden? Es waren - das muss man ehrlicherweise sagen - im Großen und Ganzen Bagatellreformen, Reformen mit einer großen Überschrift, aber kleiner Wirkung. Daher sind wir zurückgefallen, und wir fallen weiter zurück. Ich will ein paar Beispiele bringen:

Wir haben im Krankenhaussektor folgende Situation: Wir haben sehr viel Bürokratie, wir haben eine geringe Qualität im Vergleich zu internationalen Benchmarks, insbesondere in der Spitzenversorgung, zum Beispiel der Krebsversorgung. Wir haben darüber hinaus ein durch und durch ökonomisiertes System; die Ökonomie bestimmt das System. Daher brauchen wir schon seit zehn Jahren eine große Krankenhausreform. Wir müssen weg von der Ökonomie, zurück zu der eigentlichen Medizin, zurück zu einer evidenzbasierten Medizin. Diese Reform, seit zehn Jahren überfällig, machen wir jetzt gemeinsam. Wir werden die Medizin wieder in den Vordergrund rücken. Wir werden auch die kleinen Krankenhäuser erhalten; sie würden ohne diese Reform sterben. Wir werden heute immer wieder hören, die kleinen Krankenhäuser würden von uns vernichtet. Das ist falsch. Wir geben den kleinen Krankenhäusern eine Existenzperspektive.

Ohne diese Reform würden sie nicht durchkommen.

Seit zehn Jahren reden wir über die Digitalisierung. Was ist passiert? Wir haben kein elektronisches Rezept, wir haben keine elektronische Patientenakte, wir haben keine digitalisierte Forschung. Auch das gehen wir jetzt konsequent an. Wir machen zwei große Digitalgesetze. Wir werden die elektronische Patientenakte haben, die eine Versorgungsverbesserung, etwa eine bessere Krebsbehandlung, ermöglicht. Wir werden die beste Struktur für internationale Gesundheitsforschung haben, mit digitalen Daten, auch mit den Verfahren der künstlichen Intelligenz. Wir kommen spät an den Start. Wir nutzen aber im Prinzip die neuen Erkenntnisse, um unmittelbar bei der modernsten Strategie aufsetzen zu können. Das werden wir angehen. Die Digitalisierungsreform wird kommen.

Seit zehn Jahren wird hier im Haus darüber geklagt, dass wir Lieferengpässe haben - zehn Jahre lang ist daran gearbeitet worden -, Gipfel werden gemacht, man kommt zusammen, man spricht, man beklagt das große Leid. Es passiert danach nichts. Wir haben seit zehn Jahren Lieferengpässe. Wir müssen die Produktion nach Europa und nach Deutschland zurückholen. Das dafür notwendige Gesetz haben wir gemacht. Jetzt wird beklagt: Das Gesetz wirkt noch nicht. - Ja, Wunder! Es dauert natürlich zwei Jahre, bis die neuen Fabriken aufgebaut sind. Wir sind es aber angegangen. Und wir werden die kurzfristigen Probleme ebenfalls im Herbst lösen können. Panikmache hilft da nicht weiter. Diejenigen, die heute wieder beklagen, es würde noch nicht wirken, haben zehn Jahre lang auf Gipfeltreffen das Problem festgestellt, aber nie etwas gemacht.

Wir lösen das Problem und holen die Produktion nach Deutschland, nach Europa zurück.

Wir haben in der Forschung den Anschluss verloren. In Deutschland werden ständig weniger klinische Studien gemacht. Mittlerweile ist die Situation folgende: Wenn in Deutschland, was sehr häufig der Fall ist, eine Grundlagenerrungenschaft durchgesetzt wird - wir haben Topforscher -, dann ist in Deutschland die klinische Studie erst zu dem Zeitpunkt komplett genehmigt, zu dem sie in den Vereinigten Staaten schon durchgeführt worden ist. Somit verlieren wir. Wir waren immer teuer, wir waren immer gründlich, aber wir sind zu langsam. Wir brauchen daher - und wir werden es bringen -, was seit zehn Jahren fehlt: ein Medizinforschungsgesetz, um den Standort für gute Pharmaforschung attraktiver zu machen, sodass die Produkte, die von unseren Grundlagenwissenschaftlern entdeckt werden, auch in Deutschland entwickelt werden und zum Schluss in Deutschland produziert werden können. Wir brauchen hier Wachstumskerne mit einer Wertschöpfung, die gleichzeitig auch die Versorgung besser macht. Dieses seit zehn Jahren notwendige Medizinforschungsgesetz werden wir auf den Weg bringen.

Seit zehn Jahren wird auch darüber debattiert - wir werden es heute wieder hören -: Die Notfallambulanzen sind zu voll, da sind die falschen Patienten, die Rettungsdienste fahren die falschen Kliniken an, das System ist unübersichtlich, die Leute warten stundenlang, wir brauchen eine Notdienstreform, eine Rettungsdienstreform. - Seit zehn Jahren höre ich das, seit zehn Jahren wird es beklagt. Es gibt immer wieder Gipfel, immer wieder Treffen. Wir machen jetzt zum ersten Mal eine konsequente, große Notdienstreform und eine Rettungsdienstreform, sodass wir endlich die Patienten, die ins Krankenhaus müssen, in das richtige Krankenhaus bringen, und die diejenigen, die gar nicht ins Krankenhaus müssen, ambulant versorgt werden können, damit die Notdienste nicht wegen Patienten verstopft sind, die dort überhaupt nicht hingehören. Seit zehn Jahren brauchen wir diese Reform.

Schließlich komme ich auf den Anfang zurück, als ich gesagt habe: Das Wichtigste, was wir lösen müssen, ist das Problem bei der geringen Lebenserwartung, bei der schlechten Entwicklung der Lebenserwartung. Wir brauchen ein neues Institut, ein Institut für öffentliche Gesundheit, das nur ein einziges Ziel hat: über bessere Vorsorgemedizin, über bessere Vorbeugung die großen Lebenserwartungsdefizite, die durch mangelnde Vorbeugung in Deutschland entstehen, zu beseitigen. Dieses Institut, auch seit mehr als zehn Jahren dringend notwendig, werden wir in diesem Herbst auf den Weg bringen. Das werden wir als Ampel gemeinsam machen.

Ich danke allen Beteiligten für die gute Zusammenarbeit. Zur Gesundheitspolitik kann ich nur sagen: Die Ampel wirkt. Sie wirkt durch Geschlossenheit. Dafür möchte ich ganz herzlich danken.

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