"Eine gute Patienten-Versorgung ist nur möglich, wenn Politik und Ärzte an einem Strang ziehen"

Bundesgesundheitsminister Spahn spricht sich im Interview mit der Ärztezeitung für eine Vergütung zusätzlicher Leistungen aus und erläutert, warum ihn manche Äußerungen der Ärzteschaft zum TSVG irritiert haben.

Ärztezeitung: Herr Minister: Es vergeht kaum eine Woche, in der Ärzte keine Kritik am aktuellen Termin-Servicestellengesetz äußern: Ist es schlecht gemacht, wird es schlecht verkauft oder verstehen die Ärzte die Anreize nicht?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Leider wird häufig mit Falschinformationen Stimmung gemacht. So hält sich in Ärztekreisen hartnäckig das Gerücht, der Gesetzgeber wolle alle Niedergelassenen zu Mehrarbeit verdonnern. Das ist so nicht richtig. Wer jetzt bereits 25 Sprechstunden pro Woche anbietet, für den ändert sich ja gar nichts – und das ist die überwiegende Mehrzahl der niedergelassenen Ärzte. Und auch, dass Hausärzte künftig fünf offene Sprechstunden pro Woche anbieten müssen, stimmt schlicht nicht. Wir können gerne über das Gesetz diskutieren. Aber dann bitte auf Grundlage der Fakten.

Das Geld soll der Leistung folgen, warum schaffen Sie nicht gleich die Budgets bei den Grund- und Versichertenpauschalen ab?

Mit dem Gesetzentwurf werden zielgerichtete Vergütungsregelungen insbesondere zur Verbesserung und Förderung eines erweiterten Sprechstunden- und Leistungsangebots vorgesehen. Eine pauschale Entbudgetierung der Grund- und Versichertenpauschalen hätte eine geringe Steuerungswirkung und würde gleichzeitig für die Beitragszahler sehr teuer werden. Ob sich allein daraus die gewünschten Versorgungsverbesserungen ergeben, ist fraglich.

Ärzte behaupten, dass eine offene Sprechstunde alte und chronisch kranke Patienten benachteiligt. Ist das so?

Offene Sprechstunden richten sich vor allem an diejenigen, die ungeplant einen Arzttermin benötigen. Und die dafür häufig mehrere Wochen warten müssten. Das trifft auf ältere und chronisch kranke Patienten kaum zu. Denn die haben zumeist bereits einen Arzt und sind ohnehin regelmäßig in Behandlung. Wenn fünf offene Sprechstunden in der Woche vorgesehen sind, ist der größte Teil der Woche offenkundig für Terminsprechstunden. Aber ich bin ja für Argumente zugänglich. Wenn bessere Ideen kommen, die das Problem lösen, nehmen wir die stattdessen.

Die KBV-Spitze spricht von einem Verlust an Respekt und Achtung gegenüber Ärzten. Wie ist ihre Wahrnehmung?

Nein, im Gegenteil. Ich habe hohen Respekt vor der Leistung niedergelassener Ärzte. Ich weiß, wie viel sie leisten, wie sie sich für ihre Patienten einsetzen. Eine gute Versorgung der Patienten geht nur zusammen mit den Ärzten, nicht gegen sie. Deswegen habe ich ja dafür gekämpft, dass wir Mehrleistung zusätzlich vergüten. Im Koalitionsvertrag stand das nicht. Und wie gesagt, wir sind ja erst am Anfang der Beratungen. Allerdings war die KBV sehr intensiv eingebunden in die Erarbeitung des Gesetzes. Manche Wortwahl irritiert mich sehr.

Die Zahl der Ärzte nimmt im Augenblick nicht wirklich ab, die tatsächliche Arbeitszeit am Patienten schon. Grund ist die Zunahme angestellter Ärzte mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Welche Möglichkeiten hat die Politik, in diese Entwicklungen einzugreifen?

Wir müssen akzeptieren, dass Ärzte heute andere Lebensentwürfe haben. Viele wollen ärztlich tätig sein, aber nicht betriebswirtschaftlich selbstständig. Darauf müssen wir mit der Ausbildung reagieren, mehr Mediziner zum Studium zulassen. Die Einzelpraxis ist kein Auslauflaufmodell. Aber sie ist ein Modell von vielen. Es braucht mehr Vielfalt und Flexibilität. Deswegen fördern wir zum Beispiel Telemedizin und KV-Projekte in unterversorgten Regionen.

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