Roland Kaiser und Jens Spahn: Gemeinsam für mehr Organspenden

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Schlagersänger Roland Kaiser sprachen in der SUPERillu vom 12. September 2019 über Organspende. Das Doppelinterview führte Gerald Praschl.

SUPERillu: Herr Kaiser, sie leben seit neun Jahren mit einer Spender-Lunge. Spürt man das?

Roland Kaiser: Überhaupt nicht.

Wie lange kann man mit einer transplantierten Lunge weiterleben?

Roland Kaiser: Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich bin kein Prophet. Aus medizinischer Sicht ist die Vorerkrankung für die Haltbarkeit einer transplantierten Lunge von großer Bedeutung. Die Prognose für die Haltbarkeit von transplantierten Lungen ist bei ehemals COPD-Erkrankten am besten, da die Vorerkrankung nach der Transplantation nicht mehr vorhanden ist.

Herr Spahn, wie viele Menschen könnten wie Herr Kaiser gerettet werden, wenn es mehr Spenderorgane gäbe.

Jens Spahn: Viele Tausend. Rund 10.000 Menschen warten auf ein Spenderorgan. Jeden Tag sterben Menschen, die vergeblich gewartet haben. Und das, trotz zahlreicher Kampagnen, auch mit Prominenten wie Roland Kaiser. Es hilft bisher alles nichts. Zwar sind über 80 Prozent der Deutschen der Meinung, dass Organspenden richtig und wichtig sind. Aber nur rund ein Drittel hat einen Organspendeausweis, um zu erklären, ob sie im Falle ihres Todes auch selbst als Organspender zur Verfügung stünden. Deshalb müssen wir mehr tun.

Was tun?

Jens Spahn: Zunächst mussten die Abläufe in den Krankenhäusern verbessert werden. Das haben wir bereits geregelt. Jetzt haben die Kliniken mehr Zeit und Geld, um Organspender zu identifizieren. Wir haben auch die Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern gestärkt, die in den Ablauf einer Organspende eingebunden sind. Für ihre hoch komplexe und auch emotional belastende Arbeit haben sie jetzt deutlich bessere Bedingungen. Aber als Problem bleibt, dass Organspenden oft scheitern, weil es keine Einverständniserklärung der Betroffenen oder ihrer Angehörigen gibt. Deshalb würde ich gerne dafür sorgen, dass sich alle Bürger mit der Frage beschäftigen, ob sie selber Spender werden wollen. Dabei sollte jeder bedenken, dass er nicht nur möglicher Spender eines Organs ist, sondern immer auch möglicher Empfänger.

Roland Kaiser: Das Problem ist, dass sich viele mit dem Thema nicht beschäftigen wollen, weil sie sich damit auch mit dem Tod beschäftigen müssen. Da weichen viele aus. Mein Appell: Denken Sie über das Thema Organspende nach, entscheiden Sie, ob ja oder nein und teilen sie das ihren Angehörigen mit. Sie helfen damit, Menschenleben zu retten. Und sie bewahren ihre Angehörigen davor, im Falle ihres Todes eine schwierige Entscheidung treffen zu müssen.

Herr Spahn, sie wollen das mit einem neuen Gesetz ändern, mit einer sogenannten „Widerspruchslösung“. Wie sieht die aus?

Jens Spahn: Heute müssen sie einen Ausweis ausfüllen und diesen bei sich tragen, damit auch im Notfall klar ist, dass sie Organspender sind. Unser Vorschlag ist, ein Register einzurichten, in dem alle Organspender erfasst sind. Wer das nicht möchte, kann einem Eintrag jederzeit widersprechen oder seine Entscheidung widerrufen. Das ist die erste Möglichkeit, nein zu sagen. Die zweite haben die Angehörigen, wenn sie nach dem Willen des Verstorbenen gefragt werden. Ich weiß: Damit würden wir die aktuelle Gesetzeslage grundlegend ändern. Deshalb wollen wir auch alle Bürgerinnen und Bürger drei Mal anschreiben, um sie auf die Reform hinzuweisen. Im Herbst entscheidet das Parlament über diesen Vorschlag. Ich hoffe sehr, dass es zustimmt. Wir könnten vielen Patientinnen und Patienten viel Leid ersparen.

Sie ernten für diesen Gesetzentwurf auch Gegenwind - auch von ihren Amtsvorgängern Hermann Gröhe (CDU) und Ulla Schmidt (SPD). Herr Gröhe hält es für ausreichend, die technischen Abläufe zu verbessern, Frau Schmidt äußert auch ethische Bedenken, ob es sein kann, dass man automatisch als potentieller Organspender gilt, wenn man nicht ausdrücklich widerspricht... Haben Sie Verständnis für die Skepsis, die sicher nicht wenige Menschen teilen?

Jens Spahn: Ich finde, das „Nein“ aussprechen zu müssen, ist in einer freien Gesellschaft zumutbar. Das einzige Recht, das beschnitten würde, wäre, sich keine Gedanken zu machen. Es wäre auch keine „Organabgabepflicht“. Denn eine Pflicht, zu der man jederzeit und ohne Konsequenzen „nein“ sagen kann, ist keine Pflicht. Wir würden daher auch keine Pflicht zur Organspende einführen, sondern nur von Zustimmung ausgehen, wenn nicht widersprochen wurde. Organspende bleibt eine freie Entscheidung. Man kann nein sagen, wenn man kein Organspender sein will und muss nichts tun, wenn man zur Spende bereit ist. Angesichts der Chance, Leben zu schenken und zu verlängern, halte ich das für angemessen.

Roland Kaiser: Selbstverständlich habe ich Verständnis für diese Skepsis. Da ich selbst eine Organspende erhalten habe, weiß ich, wie wunderbar es ist, ein neues Leben geschenkt bekommen zu haben. Ich wünsche mir, dass sich jeder mit dem Thema Organspende auseinandersetzt und seine ganz persönliche Entscheidung trifft. Aber ich verurteile niemanden, der sich, aus welchen Gründen auch immer, dagegen ausspricht.

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