„Wir können mehr Menschen helfen als bisher“

Spahn spricht mit SUPER ILLU über den Sinn des Organspende-Gesetzes

Organspende und unser Gesundheitssystem – hier finden Sie die Antworten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf die Fragen von Gerald Praschl, Super Illu vom 14.02.2019.

Super Illu: Herr Spahn, Sie wollen Organspenden immer dann erlauben, wenn der Spender nicht ausdrücklich zu Lebzeiten widersprochen hat. Im neuen Gesetz zur Organspende, das 2019 in Kraft treten soll, steht von Ihrer Forderung nach einer solchen „Widerspruchslösung“ aber nichts. Es bleibt so: Wenn keine Zustimmung vorliegt, dürfen einem Toten keine Organe entnommen werden. Sind Sie trotzdem zufrieden mit dem neuen Gesetz?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: Die aktuelle Situation kann für niemanden zufriedenstellend sein, der sich um seine Mitbürger sorgt! Wir können mehr Menschen helfen, als bisher. Als Gesundheitsminister sehe ich es als meine Aufgabe, das möglich zu machen:10 000 Menschen warten dringend auf ein Spenderorgan. Mit dem neuen Gesetz wollen wir die Abläufe in den Krankenhäusern verbessern und die Position der Transplantationsbeauftragten stärken. Zudem bekommen Krankenhäuser, die Organe entnehmen, eine bessere Vergütung. Der Frage nach der Widerspruchslösung widmen wir uns ebenfalls. Unser Problem: 84 Prozent der Bevölkerung halten die Organspende für sehr wichtig, allerdings hat nur ein Drittel einen Organspendeausweis. Genau deshalb habe ich eine Grundsatzdebatte dazu angeregt. Der Bundestag wird noch in diesem Jahr über das Thema Organspende reden und ein neues Gesetz verabschieden. Und zwar ohne Fraktionszwang! Deutschland wird also hoffentlich bald eine neue Regelung haben, die allen gerecht wird und Leid lindern Unser Ziel ist es möglichst vielen Menschen das Leben zu retten.

Unser Gesundheitssystem wird immer teurer. Mit jährlich fast 400 Milliarden Euro kostet es heute doppelt soviel wie  vor 20 Jahren Können wir uns das auf Dauer stemmen? 

Wir werden immer älter. Das ist erfreulich, führt aber eben auch zu mehr Kosten, zum Beispiel für neue Therapien und Medikamente. Neue Medikamente stehen in Deutschland ab dem ersten Tag der Zulassung jedem von uns zur Verfügung und werden von den Kassen bezahlt, wenn sie medizinisch notwendig sind. Das halten viele für selbstverständlich, ist aber in fast keinem anderen Land Europas so. Mein Eindruck ist, dass ein Großteil der Deutschen bereit ist, für diese gute Gesundheitsversorgung ihren Beitrag zu zahlen.

Deutschland ist einer der größten Sozialstaaten der Welt. In vielen anderen Ländern, mit denen wir in einer Zeit zunehmend offener Grenzen wirtschaftlich konkurrieren, gibt es dagegen nur ein sehr schwaches Sozialsystem oder gar keinen Ausgleich zwischen Arm und Reich. Ist unser Sozialstaat in einer globalisierten Welt in Gefahr?

Ein Sozialstaat funktioniert nur innerhalb eines räumlich beschränkten Nationalstaats. Die Akzeptanz für unseren hohen Grad an Umverteilung und die Solidarität kommt auch daher, dass sich jeder darauf verlassen kann, bei Bedarf auch selbst Hilfe zu bekommen. Das geht nur, wenn nicht nur der Kreis der Einzahler begrenzt ist, sondern auch derer, die Leistungen beanspruchen. Die Linken fordern unkontrollierte Zuwanderung. Das aber würde die Akzeptanz für den Sozialstaat kaputt machen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir wissen und steuern, wer die EU betritt und wer in Deutschland Sozialleistungen bekommt. Das gilt auch für Zuwanderung innerhalb der EU. Wer zurzeit aus einem anderen EU-Land nach Deutschland kommt, hat vom ersten Tag an Anspruch auf deutsche Sozialleistungen. Ist das solidarisch? Ich glaube nein. Dafür müssen wir neue, bessere Regeln finden.

Wenn unser Gesundheitssystem schon eines der teuersten der Welt ist - ist es dann auch wenigstens eines der weltweit besten?

Ja. Und das sage ich mit voller Überzeugung! Keine Frage, es gibt im Alltag viele Probleme: etwa in der Pflege. Hieran arbeiten wir. Vergessen dürfen wir aber auch nicht: Hundert Prozent unserer Bevölkerung haben Zugang zum Gesundheitssystem, auf hohem Niveau. Angesichts dessen, was unser Gesundheitssystem leistet, würde ich mir manchmal wünschen, dass wir es mehr wertschätzen. Dieses Land kann – bei all der gerechtfertigten Kritik – stolz auf sein Gesundheitssystem sein. Ich bin es auch!

Viele Kassenpatienten fühlen sich als Patienten „zweiter Klasse“, weil sie im Gegensatz zu Privatpatienten oft Wochen auf Facharzttermine warten müssen…

…Genau das wollen wir ändern: nicht indem künftig alle Menschen drei Monate auf einen Termin warten – das wäre die sozialistische Lösung. Wir sorgen dafür, dass gesetzlich Versicherte schneller einen Termin bekommen. Ärzte, die zusätzlich Patienten aufnehmen, sollen dafür auch mehr Geld bekommen. Zum zweiten müssen wir Anreize geben, wieder mehr Ärzte in ländliche Regionen zu bringen, auch in den östlichen Bundesländern. Hier haben wir schon vieles  erreicht: Mehr Geld, und mehr Möglichkeiten, nicht nur in eigener Praxis, sondern auch angestellt tätig zu sein. 

...was zur DDR-Zeit der Normalfall war, in den Polikliniken. Hätte  man die besser erhalten sollen? 

Heute sind die medizinischen Versorgungszentren ein wichtiger Teil der ambulanten Versorgung. Ich war gerade zu Besuch in einer ehemaligen Poliklinik in Finsterwalde, die heute ein medizinisches Versorgungszentrum ist. Vor allem jüngere Ärzte wollen häufig zwar als Arzt arbeiten, nicht aber in einer eigenen Praxis. Und dieses Modell funktioniert.  

Viele Menschen haben Angst vor dem Alter wegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Altersarmut… Wie hilft der Staat?

Niemand muss bei uns fürchten, im Alter den Arzt oder den Pflegeplatz nicht bezahlen zu können. Für alle, bei denen es nicht reicht, springen die Sozialkassen ein. Dass dabei zunächst geschaut wird, ob der Betroffene oder nahe Angehörige selbst Vermögen haben, mit dem man das decken könnte, halte ich für gerecht. Denn ansonsten müssten etwa der geringverdienende Friseur oder die Kassiererin mit ihren Beiträgen den Pflegeplatz für einen Wohlhabenden mitbezahlen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Niedrig-Rentnern mit einer „Respekt-Rente“ helfen. Was halten Sie von dieser Forderung?

Menschen, die lange gearbeitet, aber dabei wenig verdient haben, stärker unter die Arme zu greifen, ist richtig. Aber nicht jeder, der eine geringe Rente bekommt, ist auch hilfsbedürftig. Wer Mietswohnungen besitzt, aber nur eine geringe Rente bekommt, ist nicht hilfsbedürftig. Eine Frau, die Jahrzehnte als Teilzeitkraft im Büro ihres Mannes gearbeitet hat, der gutverdienender Notar war, ist ebenfalls nicht hilfsbedürftig. Wir wollen, dass  nur die Menschen zusätzlich unterstützt werden, die nur von ihrer geringen Rente leben müssen. Eine solche Differenzierung sieht das Konzept von Hubertus Heil überhaupt nicht vor. Deshalb ist es nicht nur teuer, sondern auch ungerecht.

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