Teilnahme am täglichen Leben
Die Demenzerkrankung raubt den Betroffenen zunehmend die Möglichkeit, vertrauten Tätigkeiten nachzugehen und ihre Freizeit wie gewohnt zu gestalten. Oft ziehen sie sich aus Angst vor Versagen und peinlichen Situationen immer mehr zurück. Deshalb sollten pflegende Angehörige dem erkrankten Familienmitglied ermöglichen, weiterhin aktiv am Leben teilzunehmen. Das kann sein Wohlbefinden erheblich steigern und seine verbliebenen Fähigkeiten länger erhalten.
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„Jedes Mal, wenn die Enkeltochter von Herrn P. ihm einen Blumenstrauß mitbrachte, brach er alle Blumen ab und setzte sie in neuen Sträußen zusammen. Offenbar machte es ihm mehr Spaß, mit Blumen und Pflanzen etwas zu tun, als sie nur in der Vase anzusehen. Aus diesem Grund bekam er im Garten seines Sohnes ein eigenes Beet, in dem er so viel werkeln konnte, wie er wollte. Für Tage, an denen es draußen zu kalt war, bekam er Plastikblumen, die er arrangieren und mit denen er sich beschäftigen konnte.“
Von einer Demenz betroffene Menschen brauchen Aktivitäten, um Bestätigung und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu erleben und um ihre quälende Unruhe zu lindern. Deshalb sollte man keinen Versuch scheuen, sie zu motivieren und mit ihnen gemeinsam nach angemessenen Beschäftigungen zu suchen. Bei der Auswahl der Aktivitäten ist es wichtig, sowohl Unterforderung als auch Überforderung der an Demenz erkrankten Person zu vermeiden. Überforderung kann dazu führen, dass sie Versagensängste aufbaut und sich in Untätigkeit flüchtet. Fühlt sich die Person hingegen unterfordert, besteht die Gefahr, dass sie sich abhängiger fühlt, als sie ist, und Selbstachtung verliert.
Zweckmäßige Tätigkeiten wie Staubwischen oder Gartenarbeiten werden oft leichter angenommen als beispielsweise Basteln, da Menschen mit Demenz so das Gefühl haben, nützlich zu sein und gebraucht zu werden. Bevorzugt werden dabei Aktivitäten, die sie immer schon gerne und oft ausgeübt haben. Wer als Gesunder viel mit Schreibmaterial und Papier umgegangen ist, wird das auch als an Demenz erkrankte Person lieber tun als Unkraut jäten. Mit fortschreitender Krankheit ist von den Angehörigen viel Fantasie gefordert, da die Beschäftigungsmöglichkeiten der Betroffenen immer weniger werden. Monotonie in den Abläufen schreckt die gesunden Angehörigen, nicht aber die Erkrankten, die aus gleichförmigen Tätigkeiten ein Gefühl von Sicherheit und Kompetenz ziehen. Deshalb können Sie einem erkrankten Menschen beispielsweise ruhig immer die gleichen Handtücher zum Falten oder Schuhe zum Putzen geben, wenn er dies wünscht.
Viele Aufgaben werden von den Betroffenen nicht mehr so ausgeführt, dass sie den Maßstäben Gesunder genügen. Wichtiger als Perfektion ist aber, dass der erkrankte Mensch sich angenommen und nützlich fühlt – und Spaß bei seinem Tun empfindet. Werden beispielsweise beim Tischdecken die Untertassen vergessen oder wird das Besteck falsch angeordnet, sollte dies nicht unmittelbar korrigiert werden, sondern eher dezent zu einem späteren Zeitpunkt. Kritik belastet an Demenz erkrankte Menschen enorm, da sie der Argumentation meist nicht mehr folgen können. Lob hingegen aktiviert und tut gerade Demenzerkrankten besonders gut. Sinnvoll sind auch sanfte Hilfestellungen, die die Arbeitsprozesse in überschaubare kleine Schritte gliedern. Bereitet etwa Kuchenbacken der erkrankten Person Probleme, reicht es oftmals aus, die Zutaten in der richtigen Reihenfolge anzureichen. Bei anderen Tätigkeiten wie beispielsweise dem Umgang mit Messer und Gabel kann es eine Erleichterung bedeuten, wenn die erkrankte Person die Handgriffe nochmals sieht.
Beschäftigungsideen
- reduzierte Tätigkeiten im Haushalt, am besten mit anderen zusammen, beispielsweise Tischdecken, Kartoffelschälen, Staubwischen
- Gartenarbeiten wie Unkrautjäten, Gießen oder Ähnliches
- Bei früher gern gespielten Gesellschaftsspielen können die Regeln immer weiter vereinfacht werden. Beispielsweise kann man die Anzahl von Karten reduzieren.
- einfache Handarbeiten. Kann die Person zum Beispiel nicht mehr stricken, kann sie immer noch Pullover aufribbeln.
- gemeinsames Musizieren, Tanzen oder Singen vertrauter Lieder
- gemeinsame Ausflüge, Spaziergänge, Schaufensterbummel und Ähnliches
- Tätigkeiten, die Erinnerungen an vergangene Ereignisse oder Beziehungen wieder beleben, wie das Betrachten von Fotoalben oder Dias
- einfache Bewegungsübungen oder Gymnastik
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Die Fähigkeit zu sprechen nimmt mit Fortschreiten der Demenz immer weiter ab. Schwierigkeiten bei der Verständigung führen dazu, dass sich die Patientin oder der Patient häufig enttäuscht oder verwirrt fühlt und zunehmend in Isolation gerät. Es ist daher wichtig, Wege zu finden, mit ihr oder ihm trotz gestörter Sprache in Verbindung zu bleiben.
Solange sich die betroffene Person noch sprachlich mitteilen kann, sollten Sie versuchen, dies aufzugreifen. Erzählt sie viel aus der Vergangenheit, nutzen Sie die Chance, von dort eine Brücke in die Gegenwart zu schlagen. Spricht sie über gemeinsame Kindheitserlebnisse – zum Beispiel mit ihrem Bruder Erwin –, könnten Sie etwa berichten, dass Erwin bald Geburtstag hat und Sie gemeinsam zum Kaffee eingeladen sind.
Die sprachlichen Äußerungen von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, werden mit der Zeit immer zusammenhangloser und scheinen oft inhaltsleer zu sein. Umso wichtiger wird es, auf den Sinn hinter dem Gesagten zu achten. So drückt andauerndes Rufen nach der bereits verstorbenen Mutter etwa den Wunsch nach Geborgenheit oder Zuwendung aus. Vielleicht hilft es, den erkrankten Menschen in diesem Moment in den Arm zu nehmen, statt darauf zu beharren, dass die Mutter seit vielen Jahren tot ist. Je länger und besser die betreuende Person ihn kennt, desto besser gelingt es ihr im Regelfall, die Wünsche und Bedürfnisse hinter den Worten herauszufiltern.
Die Fähigkeit der Erkrankten, nichtsprachliche Äußerungen zu verstehen und zu benutzen, bleibt sehr lange erhalten. Deshalb wird es immer wichtiger, auf ihre Körpersprache zu achten und aufgrund von Haltung, Gestik und Gesichtsausdruck zu entschlüsseln, was sie mitteilen möchten. Auf der Gefühlsebene sind an Demenz Erkrankte besonders ansprechbar: Umarmungen, Streicheln und Blickkontakte geben ihnen ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Auch wenn sie der Sinn der Worte nicht mehr erreicht, werden Unterhaltungen als Zuwendung aufgefasst und genossen. Besonders sensibel reagieren Menschen mit Demenz im Regelfall darauf, wenn das, was gesagt wird, nicht mit der Körpersprache übereinstimmt. Die gegensätzlichen Botschaften können verwirren und das Gefühl von Hilflosigkeit erzeugen.
Gesprächsführung
- Begeben Sie sich in die Nähe und auf Augenhöhe des erkrankten Menschen.
- Schauen Sie ihm während des Gesprächs in die Augen und berühren Sie ihn gegebenenfalls.
- Sprechen Sie langsam und deutlich.
- Benutzen Sie einfache und kurze Sätze.
- Machen Sie nur eine Mitteilung auf einmal.
- Sprechen Sie in bejahenden Sätzen.
- Lassen Sie dem erkrankten Menschen ausreichend Zeit für seine Antworten.
- Korrigieren Sie nicht unnötig Wort- oder Satzfehler.
- Geben Sie vorsichtige Hilfestellung.
- Ermutigen Sie ihn immer wieder zum Sprechen.
- Stellen Sie sicher, dass die Verständigung nicht durch körperliche Probleme (zum Beispiel Schwerhörigkeit) eingeschränkt wird.
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„Als ich vor Kurzem nach einem zehnminütigen Spaziergang mit unserem Hund nach Hause kam, traf ich meine Schwester völlig verzweifelt an. Sie war der festen Überzeugung, dass ich schon seit Stunden weg war, obwohl ich ihr gesagt hatte, dass ich mit dem Hund draußen und gleich wieder da sei.“
Das Zeitgefühl der Betroffenen geht nach und nach verloren. Sie sind dann nicht mehr fähig, den Tag in sinnvolle Abschnitte zu gliedern. Ihre innere Uhr ist oft nachhaltig gestört, der Zeitpunkt für Mahlzeiten oder um schlafen zu gehen, wird selbständig nicht mehr erkannt. Werden sie allein gelassen, sind sie oft davon überzeugt, dieser Zustand habe stundenlang angedauert, auch wenn ihre Angehörigen nur für wenige Minuten das Zimmer verlassen haben.
Die zeitliche Orientierungslosigkeit löst große Ängste bei den Betroffenen aus, etwa wichtige Ereignisse zu verpassen oder für immer verlassen zu werden. Deshalb ist es wichtig, den erkrankten Menschen möglichst lange Orientierungshilfen zu geben, die sie dabei unterstützen, den Tagesablauf zu strukturieren. Besonders hilfreich sind feste Zeiten für die Aktivitäten des täglichen Lebens wie Mahlzeiten, Schlafengehen oder den gewohnten Spaziergang. Das Gleichmaß der Abläufe mag den Angehörigen zwar langweilig vorkommen, die Ritualisierung gibt aber Orientierung und Sicherheit.
Treten dennoch Ängste auf, ist es sinnvoll, den betroffenen Menschen emotional zu beruhigen. Wenn er immer wieder besorgt fragt, ob schon Essenszeit sei, ist es wahrscheinlich besser zu versichern, dass er sich keine Sorgen zu machen brauche, Sie würden ihn rechtzeitig zum Essen holen, anstatt ihm lediglich zu sagen, es sei erst zehn Uhr. Lebensgeschichtliche Erinnerungen helfen dabei, ihm möglichst lange einen Bezug zu Wochentagen oder Jahreszeiten zu vermitteln. So sollte zum Beispiel der Samstag als Badetag beibehalten werden, wenn immer samstags gebadet wurde. Das gilt auch für Familientraditionen wie Gänsebraten an Weihnachten oder Marmeladeeinkochen im Sommer. Sie sollten aufrechterhalten werden. So wird dem erkrankten Menschen die zeitliche Orientierung erleichtert und er wird gleichzeitig darin unterstützt, die Verbindung zu seiner Biografie und damit zu sich selbst aufrechtzuerhalten.
Zeitliche Orientierung
- Behalten Sie Rituale bei, die an bestimmte Jahreszeiten gebunden sind, wie Einkochen, Frühlingssträuße binden oder Ähnliches.
- Feste wie Weihnachten oder Geburtstage gemeinsam vorbereiten und feiern
- gut sichtbar Kalender aufhängen und dabei das tägliche Datum hervorheben
- gut sichtbar Uhren mit großen Zeigern aufstellen
- Sanduhren oder Eieruhren können helfen, kurze Zeitspannen verständlich zu machen.
- Ersetzen Sie exakte Zeitangaben wie zum Beispiel 14 Uhr durch Angaben wie "nach dem Mittagessen" oder "wenn die Waschmaschine fertig ist", falls diese besser verstanden werden.
- Lassen Sie notwendige Informationen wie das tägliche Datum unauffällig ins Gespräch einfließen.
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„Die Demenzerkrankung meines Vaters ist schon sehr fortgeschritten. Er kann sich meist nicht mal an die Namen meiner Geschwister oder die seiner Enkelkinder erinnern. Trotzdem passiert es oft, dass er bei unseren Besuchen ein vertrautes Gesicht erkennt und dann Dinge tut oder sagt, die wir nicht mehr für möglich gehalten hätten.“
Besucher sind gerade für Menschen mit Demenz, deren Beschäftigungsmöglichkeiten immer eingeschränkter werden, eine willkommene Abwechslung. Oft geraten aber die Erkrankten gemeinsam mit den betreuenden Angehörigen immer weiter in die Isolation. Es ist wichtig, dass sich die Pflegenden nicht aus Scham oder falsch verstandener Rücksichtnahme immer weiter zurückziehen, sondern dass sie Verwandte und gute Freunde zu Besuchen ermuntern und so weit wie möglich in die Pflege miteinbeziehen. Solange es noch möglich ist, sind gemeinsame Café- oder Restaurantbesuche eine gute Möglichkeit, gesellschaftliche Beziehungen zu pflegen und den Alltag abwechslungsreicher zu gestalten.
Nachbarn und Freunde können eine wichtige Rolle bei der Pflegespielen. Oft sind sie in der Lage, Probleme zu erkennen oder neue Lösungen zu finden, die Familienangehörige wegen zu großer emotionaler Nähe zur erkrankten Person übersehen. Der Kontakt zu Verwandten und alten Freunden hilft den Betroffenen dabei, länger in Verbindung mit ihrer Lebensgeschichte zu bleiben. Gemeinsam alte Erinnerungen aufleben zu lassen, macht ihnen meist viel Freude und bietet eine willkommene Abwechslung zu ihrem krankheitsbedingt gleichbleibenden Tagesablauf.
Manchmal brechen pflegende Angehörige aus Scham über die ungewöhnlichen, als befremdlich verstandenen Verhaltensweisen der erkrankten Person Kontakte zu langjährigen Freunden oder sogar zu Verwandten ab. Oft genügt es aber stattdessen, Mut für ein offenes Gespräch zu fassen. Klären Sie Ihre Freunde über Verlauf und Auswirkungen der Krankheit auf und formulieren Sie ruhig auch Ihre eigenen Sorgen über den Eindruck, den das Verhalten Ihres Angehörigen womöglich bei anderen hervorruft.
Vielleicht gibt es in Ihrem Ort eine Angehörigen- oder Selbsthilfegruppe zum Thema Demenz oder sogar eine Lokale Allianz für Menschen mit Demenz. Dies sind lokale Netzwerke, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, zu unterstützen, damit Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen weiter am alltäglichen Leben teilhaben können. Sie entwickeln Angebote, die vor Ort noch fehlen oder besonders nachgefragt werden. Es kann sein, dass es an Ihrem Ort Schulungen und Gesprächsgruppen für Angehörige gibt oder dass zum Beispiel Sport-, Kultur- und Bildungsangebote für Menschen mit Demenz vorhanden sind. Neben der aktiven Beschäftigung von Erkrankten kann dies Angehörigen helfen, in den Austausch mit anderen zu kommen und neue Kraft für ihren schwierigen Betreuungsalltag zu schöpfen.
Ob eine Lokale Allianz in Ihrer Nähe ist, können Sie über die Projektlandkarte auf dem Wegweiser Demenz recherchieren.
Soziale Kontakte
- Die Anzahl der Besucher sollte für die Betroffenen überschaubar sein, um sie nicht zu überfordern.
- Schämen Sie sich nicht, wenn mit den Fingern gegessen, die Namen der Gäste vergessen oder andere ungewöhnliche Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden.
- Klären Sie Besucher gegebenenfalls über sinnvolle Reaktionen auf das Verhalten der Erkrankten auf, wie etwa Fehler möglichst wenig zu korrigieren.
- Planen Sie Besuche zeitlich so ein, dass Sie selbst Entlastung finden und beispielsweise in Ruhe einkaufen oder sich einen freien Nachmittag gönnen können.
- Ermutigen Sie langjährige Freundinnen und Freunde oder Nachbarn, sich insbesondere an der Betreuung und gegebenenfalls an der Pflege zu beteiligen und Sie damit zu entlasten.